MOOC – Eine Massive Open Online Chance?

MOOC steht für Massive Open Online Course und stellt bisher überwiegend Onlinekurse im Hochschulbereich dar. Das Massive soll dabei die hohe Anzahl der Teilnehmenden wiedergeben. Ich nahm vor ca. drei Jahren zum ersten Mal an einem MOOC (dem ichMOOC) teil, um zu sehen, ob diese Form des Lernens mir zusagt und welche Potenziale sie birgt. Schließlich herrschte zu dieser Zeit in meiner Wahrnehmung eine kleine Aufbruchstimmung, die Veränderungen beim Lehren und Lernen in Hochschulen versprach. Die Rolle der Lehrenden, die Präsenzzeit, der Bildungszugang bzw. die Bildungsgerechtigkeit und eine offene Netzkultur waren damals u.a. die Themen, die in diesem Zusammenhang in meinen Timelines kontrovers diskutiert wurden. Einige Jahre später ist aus unterschiedlichen Gründe der große Durchbruch der MOOCs in (deutschen) Hochschulen (noch) ausgeblieben. Mehr Erfolg könnte vielleicht dieses Format im Bereich der Weiterbildung bzw. Qualifizierungsmaßnahmen haben. (Durch das Auslagern von Fortbildungen in den Online-Bereich könnte man langfristig Ressourcen einsparen. Und mögliche Sparmaßnahmen sind nicht selten ein politisch starkes Argument.) Hier erscheinen zumindest immer wieder Angebote, wie das in Baden-Württemberg oder das auf der mooc.house-Plattform. Um den aktuellen Stand auf diesem Gebiet besser beurteilen zu können, habe ich mich beim pressewirksamen MOOC des Hasso-Plattner-Instituts Lernen 4.0 eingeschrieben und das erste Modul genauer absolviert. (Der folgende Text konzentriert sich mehr auf die Umsetzung und verzichtet hier größtenteils auf eine kritische Analyse der vorgetragenen Inhalte, um den Rahmen des Blogbeitrags nicht zu überstrapazieren.)

Lernen 4.0

Bildschirmfoto 2018-02-04 um 01.23.21Ich muss zugeben, dass der Blick auf die Vorabankündigung und die Titel der Module bereits vor Beginn des MOOCs meine Vorfreude schmälerten. Begriffe wie Digital Natives oder die Frage nach dem Mehrwert digitaler Medien im Unterricht haben sich in den letzten Jahren häufig als Indikatoren für eine fehlende vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie bzw. für einen Mangel an Verständnis für die komplexen Herausforderungen des digitalen Wandels erwiesen. Dass der stets oben eingeblendete MOOC-Titel mit Prof. Dr. Christoph Meinel & Prof. Dr. Klaus Zierer endet, bildet aus meiner Sicht die unveränderte und überholte Hierarchie ab. Wertschätzung der restlichen Mitwirkenden und Teamwork gehen anders.
Unabhängig vom Inhalt erhält man (im ersten Modul) ein gelungenes Beispiel, was zeitgemäße Bildung nicht darstellt: Die Digitalisierung des Bisherigen. Einen Vortrag aufzuzeichnen und mit den dazugehörigen Folien ins Netz zu stellen ändert nichts am bisherigen Lehren und Lernen. Dass man sich bei der unglaubliche Fülle an medialen Möglichkeiten dafür entschied, zum Thema Medienbildung zwei Personen aufzuzeichnen, die hauptsächlich die eingeblendeten Folien vorlesen, steht stellvertretend für das gesamte Modul und eine mir häufig begegnende Fehleinschätzung, man sei offen, vernetzt oder sogar innovativ, sobald man Content im Web hochlädt. Ein schlechte Präsentation wird dadurch, das man sie ins Netz stellt, nur zu einer digitalisierten schlechten und online verfügbaren Präsentation.Bildschirmfoto 2018-02-04 um 01.17.32
Weil die Videobeiträge auf dem Lernverständnis der Wissensvermittlung basieren, entstehen weder Impulse zum Weiterdenken noch spannende Fragen. Das schlägt sich in den auf mich wenig ansprechend wirkenden Diskussionsforen nieder. Auf die Erklärvideos folgt jeweils ein Quiz bzw. Multiple Choice-Test, mit dem man überprüfen kann, ob die vorgetragenen Inhalte wiedergegeben werden können. Dieses Lernen 4.0 verdeutlicht, was Verquizzung bedeutet und wie Lernprozesse verschlechtert werden können, wenn sie auf die reine Wiedergabe von noch immer enger festgelegten Inhalten reduziert werden und der Anteil der eigenen Erarbeitung wegfällt.Bildschirmfoto 2018-02-04 um 01.14.27Dass man dabei Punkte sammeln kann, soll wohl zum Mitmachen animieren. Fazit: Diesem Modul fehlt es an fast allem, das zeitgemäßes Lernen ausmacht. Begriffe wie Forschung oder Studie mögen dem Inhalt einen wissenschaftlichen Charakter und Gamification einen hippen Anstrich verleihen, können aber den Widerspruch zwischen der Umsetzung und den formulierten Ansprüchen aus den Beiträgen nicht überdecken. Am Ende bleibt nur noch der Nachgeschmack von Werbung für die Schulcloud und das eigene Buch Lernen 4.0 durch Prof. Dr. Klaus Zierer übrig. Und beide Produkte verdienen eine kritische und kontroverse Betrachtung. Hier wurde eine Massive Open Online Chance verpasst.

MOOC als Massive Open Online Chance

Um diesen Blogbeitrag zielführend und konstruktiv abzuschließen, möchte ich kurz noch aufzeigen, welche zwei MOOCs meiner Meinung nach weiterhin eine Chance darstellen: Neben dem bereits erwähnten ichMOOC habe ich das Leuchtfeuer 4.0 als gelungen erlebt. Es beginnt allein damit, dass die MOOC-Gestaltenden, Nina Oberländer, Joachim Sucker und Anja Wagner im Web bekannte und geschätzte Akteure sind und ihr Wirken offen, transparent und kollaborativ stattfindet. Sie reden in ihren MOOCs nicht nur über die Potenziale des Webs, sondern nutzen sie auch, indem sie z.B. Expert_innen zu Wort kommen lassen oder soziale Netzwerke einbinden. Ihre Beiträge lieferten Impulse und warfen Fragen auf, die unter vorher vereinbarten Hashtags bei Twitter oder in Gruppen bei Facebook rege diskutiert wurden. So hatte man auch die Option, sich das Profil von Leuten anzusehen, deren Aussagen man bereichernd oder interessant fand. Bei beiden MOOCs habe ich dadurch mein persönliches Lernnetzwerk erweitert. Außerdem wurden regionale Treffpunkte organisiert und der Austausch außerhalb des Internets unterstützt. Die Grundlage meiner digitalen Identität habe ich beim ichMOOC entwickelt. Vieles, das ich dort gelernt habe, prägt noch heute mein Verhalten im Netz. Solchen MOOCs traue ich es nicht nur zu, sondern wünsche es, dass sie irgendwann eine größere gesellschaftliche Rolle spielen, weil sie das Lernen in einer offenen Webkultur eröffnen.

Ergänzung

Wer mehr Interesse an dieser Art der Weiterbildung haben sollte, findet hier eine Auflistung von 560 kostenfreien MOOCs. Mir wurde auch diese Plattform empfohlen; wobei ich nicht weiß, ob sich die Angebote z.T. im vorherigen Link wiederfinden. Andreas Wittke hat mich darauf hingewiesen, dass beide MOOCs, sowohl der IchMOOC als auch Leuchtfeuer 4.0 von Oncampus gefördert wurden und auf mooin liefen. Diese MOOC-Plattform wurde inzwischen in www.oncampus.de überführt. Dabei wurden alle vorherigen Angebote beibehalten. Jeder kann dort auch selbst kostenlos MOOCs anbieten, was einmalig in Deutschland zu sein scheint. Wer zum Thema digitale Jugendbeteiligung einen MOOC sucht, wird hier fündig.

5 Comments

  1. Der Beitrag darf im konstruktiven Teil gerne noch etwas weiter gehen: ausgeklammert wird bei dem Vergleich (sicher ist es schöner sich mit interessanten Leuten zu vernetzen als in einem Zombie-Forum aufeinander Zwangsbezug zu nehmen) das (mooc-bezügliche) Lernprodukt. Das kann freilich konstruktivistisch auch aus Old-School-Settings in die pädagogisch-didaktische Gegenwart geholt werden, kann sich m.E. aber nicht im (Achtung, polemische Zuspitzung!) Anschluss an Filterblasen erschöpfen…?!

    Gefällt 1 Person

  2. Ein Hallo in die Runde,
    ich beschäftige mich noch nicht so lange mit dem Thema MOOCs, doch seither bin ich begeistert. Ich habe in meinem ersten MOOC in den zwei Wochen mehr gelernt, als in meinem berufsbegleitenden Masterstudium in einem Semester.
    Ein gelungenen Beispiel gerade in Bezug auf Hierarchie und Collaboration fand ich den MOOC „Leuchtfeuer 4.0“ in dem es um Bildung der Zukunft geht. https://www.oncampus.de/weiterbildung/moocs/leuchtfeuer-40
    So kann’s auch gehen 👍
    Herzliche Grüße aus Mittelfranken
    Yvonne Wetsch

    Gefällt 1 Person

  3. Lieber Dejan, danke für diesen Artikel!

    Ich würde gerne etwas weiter differenzieren. Denn „MOOC“ kann, Du zeigst es selbst auf, ganz unterschiedliche Bedeutungen haben.

    „MOOC“ kann auf Eigenaktivität und Vernetzung abzielen, dann steht das „C“ wie „MOOC“ eher für „Community“ als für „Course“. (Ich habe das hier mal aufgeschrieben: https://www.joeran.de/ausweitung-der-kurszone-course-oder-community/ )

    „MOOC“ kann auch die Fortsetzung von Lehrbuch und Lehrvortrag sein. Das halte ich für ein legitimes Ziel. Und wenn mir eingeschobene Quizfragen bei meinen Lernzielen helfen, dann ist das auch legitim. Allerdings kann man Videos und Quizufragen auch gut oder schlecht machen. Noch kurz zu den Quizfragen: Im Sinne von selbstbestimmtem Lernen ist für mich die Gretchen-Frage klein, aber fein: Kann ich die Quizfragen überspringen oder werde ich zur Bearbeitung gezwungen. Sind die Quizfragen dumm (wie offenbar bei Lernen 4.0) oder interessant?

    In der Praxis kann man die Zielsetzungen durchaus kombinieren. Beim ichMOOC haben wir das ja probiert. Da gab es nicht nur Vernetzung und Austausch, sondern auch Experten-Videos – sogar mit Quizfragen.

    Jöran

    Gefällt 1 Person

    1. Ich möchte dies unterschreiben. xMOOCs wie die Inhalte von Coursera und Co haben ein ganz anderes Ziel als cMOOCs wie Leuchtfeuer oder den cl2025. xMOOCs vermitteln Lerninhalte, welche so konzipiert sind, dass sich gleichzeitig viele Teilnehmer bedienen lassen. Sie haben einen definierten Lernplan und Assignments. Ob es in den Foren jeweils qualitative Diskussionen dazu gibt, ist einerseits abhängig von den Organisatoren/Community Managers, anderseits Zufall- gibt es eine genügend grosse Anzahl aktiver Nutzer oder nicht. Ich habe das schon die ganze Bandbreite erlebt. Die cMOOCs sind auf die Vernetzung ausgerichtet und nutzen Inhalte der Teilgebenden, mit Impulsen durch Experten. Der genaue Ausgang ist ungewiss, ausser, dass man voneinander lernt was gerade interessiert. Die beiden Formate sprechen völlig andere Zielgruppen an. xMOOCs sind ein sehr guter Einstieg für digital Lernungewohnte. cMOOCs sind für die Lernfortgeschrittenen. Feedbacks zu den cMOOCs zeigen, dass bereits eine ziemlich hohe digitale Kompetenz vorhanden sein muss, um das Format wirklich nutzen zu können. Für einen xMOOC braucht man bloss einen Browser. Wer noch nie im Netz gelernt hat, sollte sich unbedingt einen xMOOC anschauen. Am Besten aber einen guten, der das Format auch wirklich ausschöpft. Dazu gehörte zB das Storytelling der FU Potsdam. Ein Klassiker ist Gamification der Wharton School, einer der ersten MOOCs überhaupt. Vielfach empfohlen wurde mir Learn how to learn, welcher ausserordentlich gut sein soll. Viele unterschätzen, wie schwierig es ist, einen wirklich guten xMOOC zu machen. Entsprechend gibt es halt viele vorgelesene Skripts und Folien. Unsubscribe…..

      Gefällt 1 Person

  4. Danke für den Artikel!
    Auch ich habe das Angebot von mooc.house ausprobiert, aber schon nach 3 Videos konnte ich mir das Vorgelese nicht mehr mit ansehen.
    Ich wusste garnicht, wo ich mit der Kritik anfangen soll, eigentlich müssten sie doch selber merken, dass diese Herangehensweise nicht funktionkiert. Schließlich ist zumindest einer der Vortragenden selbst Lehrer und an der Lehrerausbildung der Uni Augsburg beteilig!!

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar