Bei Tests, Klassenarbeiten oder Prüfungen wird der Zugang zu Informationen unterbunden, Hilfsmittel verboten und Zusammenarbeit als Betrug bestraft. Was im späteren Leben normal und sogar zunehmend notwendig ist, wird in Schulen verhindert. Begründet wird das meist mit Argumenten, die weder die Transformationsprozesse der letzten Jahrzehnte noch eine Kultur der Digitalität berücksichtigen. Bei genauerer Betrachtung wird zudem klar, dass Noten und die Idee der Vergleichbarkeit von Leistungen die tatsächlichen Hürden darstellen. Diese Barrieren und weshalb und wie Leistungserfassungen geändert werden müssen, möchte ich im Folgenden diskutieren.

Wenn in irgendeiner Form im Unterricht oder am Ende der Schulzeit Leistungen erfasst bzw. geprüft werden, wird oft ein Szenario konstruiert, das außerhalb der Schule nicht (mehr) existiert, aber trotzdem weiterhin als wesentliche Legitimation dafür herhalten muss. Taschenrechner sollten schon zu meiner Schulzeit so wenig wie möglich benutzt werden, weil man schließlich nicht immer einen dabei habe und deshalb alles im Kopf ausrechnen können müsse. Bei den übrigen Kompetenzen und Inhalten der anderen Fächer verhält es sich ähnlich. Es werden Tische auseinander geschoben, Trennwände mit Schultaschen errichtet, Smartphones eingesammelt und Gespräche untersagt. 

Es muss immer noch viel auswendig gelernt, ohne Hilfsmittel und allein gearbeitet werden. Weshalb? Taschenrechner, Übersetzungssoftware oder Informationen stehen mit Smartphones fast allen Schüler:innen, wie auch dem Rest der Welt, ständig zur Verfügung. Austausch und Zusammenarbeit bilden das Fundament für Lösungen in einer immer komplexeren Welt, wie aktuell bei der Pandemie. Das ist kein Plädoyer für eine Abkehr von Grundwissen und -kompetenzen – im Gegenteil. Es gilt jedoch zu prüfen, was davon noch zeitgemäß ist und wie das gelingen kann.

Den Zugang zu Informationen, Hilfsmitteln und die Möglichkeit der Zusammenarbeit zu verhindern, funktioniert am besten durch die Kontrolle in Präsenz. Als im März 2020 die Schulen aufgrund von Covid-19 geschlossen wurden, Fernunterricht stattfinden musste und irgendwann auch die Frage nach Leistungserfassungen im Raum stand, wurde deutlich, sehr Prüfungen von präsentischer Kontrolle abhängig sind. Genau hier besteht die Chance, drängende Fragen, die sich in Distanz stellten, auf die Präsenz zu übertragen.

Was wäre, wenn bei jedem Test, jeder Arbeit oder Prüfung, Bücher und das Netz genutzt werden könnten, alle Hilfsmittel erlaubt und der Austausch mit anderen gewünscht wäre? Wie müssten solche Leistungserfassungen konzipiert sein? Tatsächlich muss hier auch immer eine zweite Frage zuerst neu gedacht werden: Wofür sollen Leistungen erfasst werden? Bezieht man diese Frage auf den gesellschaftlichen Wandel und die aktuellen und zukünftigen globalen Herausforderungen, muss hier die bisherige Vergleichbarkeit der Befähigung weichen.

Kurz und grob ist damit die Befähigung gemeint, selbständig lernen und Probleme lösen zu können, indem Kompetenzen und Wissen erfasst und offene Baustellen aufgezeigt werden. Im Grunde genommen war das ohnehin schon immer der Anspruch der meisten Lehrkräfte, die unterschiedliche Formen von Rückmeldungen nach Leistungserfassungen praktizieren. Noten stehen aber in einem deutlichen Gegensatz dazu, wirken dem entgegen und verankern die Vergleichbarkeit im Bildungssystem und den Köpfen. 

Deshalb richtet sich das Interesse von Schüler:innen bei der Rückgabe von Tests in der Regel nur auf die Noten. Was und wie gelernt wurde, spielt kaum noch eine Rolle, wenn die Zahl auf dem Papier feststeht. Diesen Fokus lernen sie von Erwachsenen von Klein auf. Spätestens ab Klasse 3, wenn die weiterführenden Schulen näher rücken, wird prophezeit, dass Noten im Studium, der Berufswelt und dem Leben Türen öffnen oder verschlossen lassen. Deshalb gibt es auch Notenbüchlein und Zeugnisse, die den Kurs angeben und keine ausführliche Dokumentation und Kommunikation von Wissen und Kompetenzen.

Bisherige Leistungserfassungen sind eher Leistungsmessungen. Deshalb werden zum Zeitpunkt der Messungen z.B. keine Fragen mehr erlaubt, weil sie sonst die Ergebnisse verfälschen würden, die eine Vergleichbarkeit gewährleisten sollen. Auch das Lernen ist währenddessen nicht erlaubt, weil beispielsweise Fehler bestraft und nicht als Möglichkeit, etwas zu lernen, verstanden werden. Wären das aber nicht auch wichtige Kompetenzen, Fragen zu stellen, Fehler zu erkennen, zu korrigieren und daraus lernen zu können? Müssten faire Leistungserfassungen nicht auch die Rahmenbedingungen der Lernenden berücksichtigen, unter denen sie Wissen und Kompetenzen erworben haben und deshalb individuell unterschiedlich sein?

Deshalb orientieren sich Konzepte für zeitgemäße Leistungserfassung (wenn u.a. die Befähigung zum selbständigen Lernen erreicht werden sollte) daran, Lernprozesse sichtbar zu machen und Lernende dabei zu unterstützen, diese zu erkennen, zu verstehen, zu dokumentieren und reflektieren zu können. Natürlich kann das teilweise auch mit bisherigen Tests, Klassenarbeiten und Prüfungen gelingen. Es erfordert aber an vielen Stellen eine Entwicklung offenerer Aufgabenformate, löst sich von der Idee der Wissensvermittlung, strebt Wissenserwerb an und bindet das Netz mit seinen Möglichkeiten ein.

Was das konkret fürs jeweilige Fach übersetzt bedeutet, muss jede Lehrkraft für sich und mit dem Kollegium aushandeln. Eine These aufzustellen, sie zu be- oder widerlegen, geht in vielen Fächern. Argumente zu Fragestellungen zu sammeln, zu sortieren und zu diskutieren auch. Oder Lernprodukte aus der Projektarbeit bieten eine hervorragende Grundlage, um Kompetenzen und Wissen zu erfassen. Müsste denn nicht nach den gesellschaftlichen Erfahrungen mit Covid-19 jeder Test in jedem Fach genutzt werden, um zu zeigen, wie man geeignete Quellen (im Netz) findet, sich kritisch mit ihnen auseinandersetzt und sie kommuniziert? 

Ehrlicherweise wird aber am Ende immer die Bewertung und Benotung ein Knackpunkt darstellen. Deshalb bedeutet zeitgemäße Leistungserfassung in letzter Konsequenz die Abschaffung von Noten. Ebenfalls ehrlich wäre aber auch das Eingeständnis, dass die bisherigen Bewertungen und Benotungen immer schon weit davon entfernt waren, das zu leisten, was sie sollten. Somit wäre eine Veränderung im Bereich der Leistungserfassung eine günstige Möglichkeit, sich dem zu nähern, was Lernen an sich bedeuten und erreichen soll.

Neulich postete ich in sozialen Netzwerken, dass viele Schüler:innen sich gewünscht hätten, die Möglichkeit, Referate digital aufzuzeichnen und sie Lehrenden als Video zukommen zu lassen oder sie im Videokonferenz-Meeting vorzutragen und dort darüber zu sprechen, auch nach Covid-19 beibehalten werden soll. Und dass dieser Wunsch für mich Sinn ergibt. Weil ich damals keine Zeit hatte, auch die wesentlichen Argumente der Diskussionen, die ich mit Klassen darüber führte, zu nennen oder meine bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse zu diesem Thema aufzuschreiben, hole ich das mit diesem Beitrag nach und gehe auch kurz auf Kritikpunkte ein, die zu diesem Wunsch in sozialen Netzwerken geäußert wurden.

Grundsätzlich ging es weder in den Debatten mit den Klassen noch in meinem Posting jemals darum, live vor der Klasse vorgetragene Referate abzuschaffen bzw. sie durch digitale Lösungen komplett zu ersetzen, sondern allen Schüler:innen zwei weitere Möglichkeiten zusätzlich anzubieten: ein digital aufgezeichnetes Referat abzugeben und ein Referat in einer Videokonferenz zu halten. Beides kann in bestimmtem Situationen sinnvoll sein.

Referate als Videobeitrag

photo-1587029436686-5e6071263c47Ein Referat digital aufzuzeichnen und einzureichen, ist eine Idee, die es auch schon vor Covid-19 gab und die von einige Lehrenden seit längerem angeboten wird. Beliebt war und ist dabei oft die Produktion von Erklärvideos. Weil ich den Fokus noch stärker auf Elemente des Storytellings legen wollte, führte ich vor vier Jahren das Format der Snapchat-Story ein. Daraus haben sich mittlerweile hinsichtlich Aufzeichnung und Software unterschiedliche Lösungen entwickelt. Bei diesen Ansätzen ging und geht es auch darum, mit einer Zuhause und in der Schule vorliegenden, überschaubaren Technik (oft bedeutet das nur ein Smartphone) Wege zu suchen, die Schüler:innen beim Lernen weiterhelfen.

Erst durch Covid-19 und Philippes Video-Serie #DigiFernunterricht bin ich auf die Software Loom aufmerksam geworden, was meiner Meinung nach die Aufzeichnung von Referaten auf eine andere Ebene hebt. Eine Präsentation mit einer face cam bubble (ein Kreis, mit dem die sprechende Person eingeblendet wird) aufzuzeichnen kannte ich bisher nur mit digitalen Tools und Settings, die für viele Personen zu teuer, kompliziert und/oder aufwendig waren. Um Loom zu nutzen sind keine besonderen technischen Vorkenntnisse notwendig und die kostenfreie Basisversion kann alles, was es braucht. 

Referate in Videokonferenzen

photo-1588873281272-14886ba1f737Was ich vor der Schulschließung noch nie probiert hatte, ist das Präsentieren (und Diskutieren) via Videokonferenz. Viele Software-Lösungen bieten die Möglichkeit, den Bildschirm mit ausgewählten Bildern, Webseiten, digitalen Tafeln oder Folien von vorbereiteten Präsentationen, zu teilen; auch dass die vortragende Person weiterhin eingeblendet bleibt. Damit habe ich viele positive Erfahrungen mit Gruppen- und Einzelpräsentationen (ohne weitere Klassenmitglieder) gesammelt. Die Gespräche im Anschluss verliefen meist entspannter, weil sie nicht im Zeitkorsett des regulären Unterrichts stattfanden und von vielen parallel laufenden Herausforderungen des Schulalltags umgeben waren.

Einer meiner persönlichen Highlights war ein Referat, für das sich eine Person besonders schick angezogen hatte, um die Ernsthaftigkeit des Vortrags (als Vorgang, nicht wegen des Inhaltes) zu unterstreichen. Außerdem wurde ein ruhiger Ort bei Verwandten ausgewählt und der Hintergrund adäquat eingerichtet. Ich weiß nicht, ob sich das Videokonferenz-Kompetenz nennt, aber zumindest hatte sich die Person vorher Gedanken gemacht, was in diesem neuen Setting nötig wäre, um eine Situation zu erzeugen, die der im Physischen entsprechen könnte. 

Weshalb Referate als Video oder in Videokonferenzen sinnvoll sein können

Hürden abbauen, Brücken bauen

photo-1568736333610-eae6e0ab9206Nicht wenigen Schüler:innen fällt es aus unterschiedlichen Gründen schwer, vor Klassen zu sprechen. Manche sind introvertiert, fühlen sich nicht wohl (mit sich, der Klasse oder der Lehrperson) oder spüren andere Hemmnisse, die auch nicht immer bekannt sind. Meine Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die vorhin beschriebenen digitalen Zusatzangebote für diese Personen häufig wie ein Zwischenschritt, wie eine Brücke wirken und damit Ängste und andere Hürden abbauen können. Dabei biete ich unterschiedliche Stufen an: a.) Die Person ist nicht dabei, wenn ich mir ihr Video ansehe, b.) Sie „erträgt“ es, dass ich es mir vor ihr ansehe und c.) Sie spielt das Video vor der Klasse ab. Mein Ziel dabei ist es, möglichst von a nach c zu kommen, was den nächsten Schritt in Richtung einer Live-Präsentation regelmäßig und deutlich erleichtert hat.

An dieser Stelle fällt gerne das Argument, Lampenfieber und Aufregung gehören dazu und seien wichtige Erfahrungen. Oft auch mit dem Verweis auf die Berufswelt. Hier schlage ich zwei zentrale Fragen vor, die bei Überlegungen, ob diese Erfahrung wirklich notwendig ist, Orientierung bieten können: 

  • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Person einen Berufe wählt, in dem Präsentationen im Mittelpunkt stehen oder überhaupt erforderlich sind?
  • Wie wahrscheinlich ist es, dass die Person ein stark negativ prägendes Erlebnis erfährt?

(Wenn ich die Situationen und Gespräche mit Schüler:innen und Ehemaligen der letzten knapp 20 Jahre reflektiere, lautet die Antwort bei den Personen, denen das Präsentieren vor der Klasse schwerfiel, auf die erste Frage „eher selten“ und die zweite „häufiger“, was sich im schlimmsten Fall in Panikattacken äußerte.)

Präsentationen perfektionieren 

photo-1519432651342-f28d06ae765b„Wer Erklärvideos aufnimmt, übt kein Präsentieren mehr“ war eine weitere These, die im Raum stand. Hier widersprechen die bisher erreichten Ergebnisse in vielen Schulen. Die Arbeit, einen Sachverhalt zu verstehen, ihn zu zerlegen und neu zusammenzusetzen, entfällt nicht bei Erklärvideos. Auch nicht die Wahl der passenden Visualisierung oder die Reduktion auf das Wesentliche. Was aber hinzukommt, sind die Wiederholungen einer Aufzeichnung, weil zu schnell, undeutlich, lange gesprochen wurde oder an der Rhetorik gefeilt wird. Auch die Gestik und Mimik werden bei Aufnahmen von Schüler:innen sehr selbstkritisch analysiert und (oft lange) bearbeitet. Im Prinzip wird dadurch eine Präsentation perfektioniert.

Natürlich werden bei digital erstellten oder gehaltenen Referaten auch technische Fähigkeiten gelernt und geübt. Es wurden immer wieder neue Software-Produkte vorgestellt und kontrovers diskutiert, hinsichtlich Betriebssystem, Kosten, Datenschutz oder Benutzerfreundlichkeit. Das sehe ich hier aber nicht als zentrale Aspekete.

Der Sinn von Referaten

Es gibt drei Gründe, weshalb Referate in der Schule gehalten werden sollen:

  1. um fachliches Wissen zu erwerben
  2. um zu lernen, erworbenes Wissen anderen verständlich zu kommunizieren
  3. um Leistungen bewerten zu können

Alle drei Punkte werden mit Referaten als Videobeitrag oder Videokonferenz weiterhin erfüllt. Das Publikum ist nur ein weiterer Parameter, der zu den Rahmenbedingungen hinzugefügt wird und testet, ob jemand den zweiten Punkt vor einem Publikum beherrscht. Diese Notwendigkeit sollte nicht überschätzt werden, zumal sie für extrovertierte Personen die Leistung begünstigen und bei introvertierten negativ beeinträchtigen kann. Junge Menschen für ihren Charakter oder Gemütszustand zu belohnen oder zu bestrafen, empfinde ich als ungerecht. Deshalb kann ich alle Kolleg:innen nur ermuntern, die beiden Zusatzangebote in ihrem Unterricht mit aufzunehmen und auch das Thema Referate in einer Kultur der Digitalität an sich neu zu denken.

IMG_8792Das Coronavirus hat mit der Schließung der Räumlichkeiten den Rahmen des Bildungssystems von heute auf morgen grundlegend verändert. Durch den Entfall des physischen Raumes und den Wandel der bisherigen Kommunikation wurde plötzlich eine völlig neue Ausgangslage geschaffen, in der viele Fragen aufgeworfen wurden und weitere täglich hinzukommen. Sie gewährte aber auch neue, ehrliche Einblicke, weil sie nun stärker über das Netz kommuniziert wurden. Nicht nur Ministerien haben über ihre Website und Social Media-Accounts informiert, auch Lehrer_innen, Schulleitungen, Eltern und Schüler_innen haben vermehrt ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Erlebnisse im Netz, über Ländergrenzen hinweg öffentlich dokumentiert und diskutiert. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf den Bildungsbereich in Zeiten der COVID-19-Pandemie und widmet sich den Erfahrungen der ersten Wochen und den Lehren, die für heute und morgen daraus gezogen werden könnten oder sollten.

Was hat sich bewährt?

Arbeitskultur

photo-1507925921958-8a62f3d1a50dIn den Gruppierungen, an denen vorher schon flache Hierarchien und Transparenz herrschten, viel miteinander kommuniziert und gemeinsam erarbeitet wurde, gelang es relativ schnell, Lösungen zu entwickeln, die für möglichst viele funktionieren. Diese wurden durch regelmäßige Reflexionsschleifen korrigiert und weiter optimiert. (Ein Ergebnis vorher erlernter, geübter bzw. gelebter Flexibilität und Offenheit kollaborativer Prozesse.) Es war innerhalb der Arbeitsgruppen wichtig, die Möglichkeit zu sehen, sich anderen Menschen anvertrauen zu können, dass man etwas nicht weiß, aber auch das Zutrauen zu erleben, sich in eine persönlich schwierige Thematik einarbeiten zu können. Die Arbeit und Verantwortung abzugeben (auch abgeben zu können), sie auf vielen Schultern zu verteilen und gemeinsam die Herausforderungen anzugehen, war schon immer und nun noch spürbarer von Vorteil. Das alles gilt natürlich für alle Zusammensetzung im Rahmen einer Schulkultur, also auch im Lehrer_in-Klasse-Setting. Weil viele Lehrende mit den zahlreich anfallenden Rückmeldungen (unter erschwerten Kommunikationsbedingungen) zu den erbrachten Schüler_innen-Leistungen zu kämpfen hatten, möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, junge Menschen beim Feedback zu beteiligen. Wer gegenseitiges Feedback mit Schüler_innen im regulären Unterricht eingeführt und etabliert hatte, konnte jetzt davon profitieren. 

Erlebnisräume

photo-1525015582196-5316b8a0afc9Die Stellen, an denen sich Menschen wirksam, gestaltend mit Digitalem oder/und im Netz erlebt haben, haben sie (durch eine gesteigerte Selbstwirksamkeitserwartung) nachhaltig geprägt. Allein an einer Videokonferenz (mit Ton und Bild) teilnehmen zu können, war für viele schon ein großer Erfolg. Der nächste Schritt, selbst eine anbieten zu können, setzte dadurch die Hürde deutlich herab und fand deshalb häufig statt. Das gelang meist am besten durch die Unterstützung von Personen, die sie bereits kannten und denen sie vertrauten. Aber auch niederschwellige und vielfältige Angebote waren und sind dabei ausschlaggebend. (Soziale Netzwerke sind zwar in der Vorstellung von Bildungskreisen nicht selten ein Ort, an dem ausschließlich Fake News und Hate Speech kommuniziert werden. Sie eignen sich aber auch, wie das aktuelle Beispiel der #gettymuseumchallenge, einen einfachen Zugang zu schaffen und auf einen vielfältigen Austausch hinzuweisen, neben den zahlreichen Informations- und Vernetzungsmöglichkeiten.) Ein Fazit lautet hier: möglichst viele Erlebnisräume zu schaffen bzw. Zugänge zu ihnen zu begünstigen. 

Lernräume

photo-1489702932289-406b7782113cEs wurden Aufgaben kopiert, gescannt, hochgeladen, gemailt oder mit der Post verschickt. Gut funktioniert hat es dort, wo selbständiges Lernen und das Aufteilen von größeren Aufgabenpaketen vorher schon erlernt worden waren, Eltern helfen konnten, die notwendige Kulturtechnik und das dazugehörige Wissen (wenn notwendig) vorlagen, eine erfolgreiche Kommunikation (technisch als auch menschlich) aufgebaut werden konnte oder schon vorher vorhanden war und die Lebensumstände Zuhause, wie z.B. räumliche Gegebenheiten, ein konzentriertes Lernen zuließen. Außerdem haben sich aufgrund der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen beim Lernort Zuhause, asynchrone Lernprozesse bewährt, bei denen nicht eine Klasse zur gleichen Zeit, am gleichen Ort (Videokonferenz), die gleiche Aufgabe bewältigen muss, sondern Einzelne und Gruppen zeit- und ortsunabhängig, am besten noch mit unterschiedlichen, für sie günstigen, Möglichkeiten daran arbeiten können. 

Ich habe bei den Lernräumen bewusst von funktionieren gesprochen, weil meistens nach Lösungen gesucht wurde, die das Bisherige erhalten und aus Unterricht in der Schule eine digitale Fernlehre stricken sollten. Hier möchte ich zu dem Teil überleiten, der sich mit weit verbreiteten Annahmen beschäftigt, die es zu hinterfragen lohnt, wenn es darum geht, Lernen, Schule oder gar Bildung nun neu bzw. digital zu denken. Es sind einige dabei, die es auch schon vor der COVID-19-Pandemie gab, aber auch manche, die durch die aktuelle Lage entstanden sind.

Populäre Annahmen-Check

Strukturen und Prozesse mit Lernplattformen oder Lernmanagementsystemen digitalisieren

photo-1501023956373-055b874f2929Immer wenn Menschen, die die Kultur der Digitalität weder kennen noch verstanden haben, planen, sich digital bzw. „neu“ aufzustellen, werden meist nur die bereits bestehenden und vertrauten Strukturen und Prozesse ins Digitale übertragen, sprich digitalisiert. Die Tragweite, Notwendigkeiten und Möglichkeiten des kulturellen Wandels, hin zu einer Kultur der Digitalität, die Axel in diesem sehenswerten Vortrag sehr ausführlich herleitet und erklärt, werden dabei nicht berücksichtigt. Das Potenzial einer global vernetzen Welt besteht nicht darin, die Physische widerzuspiegeln, sondern an den unzähligen Optionen, Wissen zu erwerben, zu teilen, Menschen mit gemeinsam Interessen zu finden, sich zu vernetzen, Neues zu entdecken und kennenzulernen, interdisziplinär und multiperspektivisch an Ideen zu arbeiten, die Welt zu erfassen und zu gestalten. Wer also Lernplattformen oder Lernmanagementsysteme sucht oder entwickelt, sollte genau das im Blick behalten und sich fragen, was davon ermöglicht wird. 

Es muss jetzt alles ganz schnell gehen

photo-1476725994324-6f6833ea0631Viele Lehrer_innen, Schulleitungen, aber auch Politiker_innen haben sich seit dem Lockdown zum ersten Mal intensiver mit Digitalem auseinandergesetzt. Die Vorstellungen und Erwartungen, am besten alle Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nun im Schnellverfahren nachzuholen, mag eine populäre Forderung oder Hoffnung sein, sie ist aber weder realistisch noch hilfreich (weil sie unnötig zusätzlichen Druck erzeugt). Das nötige Wissen und die Erfahrung haben sich Menschen im und mit dem Netz über eine jahrelange, vertiefte Auseinandersetzung erarbeitet. Diese Investition kann man niemandem abnehmen, aber muss sie alle gewähren. Das gilt sowohl für einzelne Personen als auch für Schulentwicklungsprozesse und die Bereiche und Ebenen darüber hinaus. 

Stützräder fürs Netz

photo-1565742672058-6c844f5afc2e„Die technischen Hürden sind schon groß genug. Da muss man den Leuten mundgerechte Häppchen servieren, damit sie sich (lieber/länger) mit dem Digitalen auseinandersetzen.“ Jein. Niederschwellige Angebote sind wichtig. Aber auch hier wird oft und gerne Wissensvermittlung mit Wissenserwerb verwechselt. Man lernt über das Entdecken, das selbst Herausfinden, Zerlegen und für sich neu Zusammensetzen. Deshalb funktionieren die vielen Listen mit digitalen Tools und Angeboten, die in der letzten Wochen und Tagen freundlicherweise erstellt und geteilt wurden, nicht immer und auch nur bedingt. Manchmal können sie sogar erschlagend wirken und überfordern, weil sie als endlose To-do-Liste verstanden werden. Diese Zusammenstellungen sind ein Produkt, ein Ergebnis eines Wissenserwerbes. Und da verhält es sich so wie mit Tafelbildern oder den zunehmend beliebten Sketchnotes. Sie funktionieren für einen selbst, aber nicht zwangsläufig für andere. Mit der Flut an Informationen und Angeboten des Internets zurechtzukommen und sich souverän und mündig im Netz zu bewegen, lernt man nur über das eigenständige Handeln. Wenn Lehrende zu Lernenden werden, müssen (und meiner Erfahrung nach wollen) natürlich auch sie ihre eigenen Listen erstellen. Gezielte Impulse und konkrete Unterstützung, wenn sie gefordert werden, helfen ihnen dabei. Hier möchte ich auf die sehr gelungene Video-Reihe von Philippe hinweisen.    

Die vermeintliche digitale Speerspitze

photo-1493612276216-ee3925520721Eine der größten Missverständnisse in der Debatte um Bildung in einer Kultur der Digitalität liegt meiner Meinung nach im Überschätzen der Expertise derer, die (sehr stark überspitzt) schon mal ein Tablet im Unterricht eingesetzt haben und das Unterschätzen der eigenen Expertise von Lehrenden, die bisher kaum bis keine (bewussten) Berührungspunkte mit Digitalem hatten. Das bezieht sich auf den Unterricht, die Schulentwicklung als auch alle anderen Bereiche. Das ist zum einen ein Resultat der zu starken Fokussierung auf die Technik und zum anderen das Ergebnis von pressewirksamen Inszenierungen von Leuchttürmen und Preisen. Es geht am Ende immer noch um Bildung, Schule und Lernen. Was sich durch die Digitale Transformation geändert hat, ist der gesellschaftliche Kontext, in dem das alles neu, transformiert stattfindet und gedacht werden muss. Vorhandenes technisches Wissen führt daher nicht zwangsläufig zum Vorsprung bezüglich zeitgemäßer Bildung, wenn der Kontext, das Gesamtbild dabei nicht betrachtet wurde. (Wenn überhaupt jemand in diesem komplexen gesellschaftlichen Prozess einen Vorteil haben sollte, dann sehe ich ihn bei Vertreter_innen der Reformpädagogik. Dort scheinen die Ansätze zu liegen, die für heute und morgen greifen und notwendig sind.)

Zuerst richtig rechnen und lesen lernen

Es ist eine populäre Vorstellung, dass zuerst das Alte, was und wie bisher gelehrt und gelernt wurde, sitzen müsse, um sich dann den neuen Herausforderungen zu widmen. Die Annahme hinkt insofern, weil sie davon ausgeht, dass wir weiterhin in einer reinen Buchdruckkultur leben und sie die Kultur der Digitalität wie eine Parallelwelt, der man optional beitreten kann oder nicht, behandelt und im schlimmsten Fall sogar ignoriert. Es geht (mir) dabei nicht um einen Vergleich, was zuerst gelernt werden muss, sondern eher um den Hinweis, dass sich auch das Bisherige mit verändert, transformiert, zusätzlich zum Neuen. Wie Menschen lesen, schreiben, kommunizieren verändert sich, und da gehören soziale Netzwerke und andere digitale Kanäle und Möglichkeiten nun mal mit dazu. Das muss in der Bildung (deutlich stärker) berücksichtigt werden bzw. sich abbilden.

photo-1431576901776-e539bd916ba2Durch die Pandemie sind die Herausforderungen einer global vernetzen Welt, die bisher nur in manchen Bereichen konkret spürbar waren, nun bei allen angekommen, weil sie auf einmal alle betreffen. Die Unbeständigkeit von sich permanent aktualisierenden Informationen, die unterschiedlichen Einschätzungen der Lage, die verschiedenen Expertisen und Perspektiven, die man liest, hört oder sieht und die Unsicherheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen, für sich und andere, erinnert uns täglich an die zunehmende Komplexität dieser Welt und hat bei den meisten, wahrscheinlich sogar bei allen, zu einem gewissen Grad an Überforderung geführt. Und genau deshalb ist es so notwendig, dass junge Menschen endlich darauf vorbereitet und befähigt werden, in einer immer komplexeren Welt die „richtigen“ Entscheidung zu treffen, die in keinem Lösungsbuch stehen oder auch mit eigenen und fremden Fehlern umzugehen. Diese Komplexität wird nämlich nicht verschwinden – im Gegenteil. 

Bildung basiert heute noch größtenteils auf der Buchdruckkultur, in der Wissen durch (veraltete) Schulbücher, Kopiervorlagen oder Arbeitshefte meist als festgelegt gilt (und wirkt). Mit aktuellen Informationen und Erkenntnissen umzugehen, sie zu prüfen und einzuordnen, mag keine neue Herausforderung der Bildung sein. Nur nimmt sie zum einen in der Regel bisher keinen wesentlichen Teil des Lernens ein und zum anderen haben sich die Parameter durch die Kultur der Digitalität grundlegend gewandelt und wurden teilweise durch neue ergänzt. In den aktuell geführten Debatten hinsichtlich der COVID-19-Pandemie spielt das Verstehen und Prüfen der zahlreichen Studien, die in sozialen Netzwerken geteilt werden, das Einordnen von Online-Beiträgen, wie Texte von Webseiten, YouTube-Videos oder Screenshots, die über Instagram oder WhatsApp verbreitet werden, eine bedeutende Rolle. Oder das Reflektieren des eigenen Verhaltens, unter Berücksichtigung kognitiver Verzerrungen. Kultur findet vermehrt im Netz statt und gehört deshalb auch in Bildungsinstitutionen, und das nicht als Kopiervorlage. Denn während die Zeitung von morgen gedruckt wird, sind schon manche Daten überholt und im Netz korrigiert und zugänglich.

Möglichkeiten und Missverständnisse

Während in den letzen Tagen die Stimmen immer lauter wurden, dass Virologen und ihre Perspektive zu stark die gegenwärtigen politischen Entscheidungen beeinflussen würden und andere Blickwinkel vernachlässigt werden, verwies Angela Merkel in ihrer Ansprache vor Ostern nicht nur auf die kommende Studie der Leopoldina, sondern unterstrich auch deren Zusammensetzung. Dort tauschen sich Vertreter_innen aus nahezu allen Wissenschaftsbereichen aus. Denn nur in einer interdisziplinären Zusammenarbeit können gesellschaftlich getragene Lösungen für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit entwickelt werden. Wo, wie und wie häufig findet das in Schulen und Hochschulen statt? Es wird zumindest klar, dass sich Lernorte und -prozesse öffnen und kollaborativ gestaltet werden müssen. Und das Projektlernen, wie es Lisa in diesem lesenswerten Beitrag beschreibt, im Bildungsbereich als ein Fundament etabliert gehört. 

photo-1581291518857-4e27b48ff24eVor kurzem hatte ich ein Video von Steve Jobs in meiner Social Media-Timeline, bei dem er sinngemäß erklärte, dass er sein Produkt nicht, wie es sonst in der Branche üblich wäre, von der Technik her gedacht hätte, sondern von der Person, die sie nutzt. Damit hatte er nicht nur einen wirtschaftlich außergewöhnlichen Erfolg, sondern trug auch maßgeblich zur digitalen Transformation und grundlegenden Veränderungen in allen Bereiche der Gesellschaft weltweit bei. Seitdem lässt mich der Gedanke nicht los, was wohl wäre, wenn dieser Ansatz beim Lernen ernsthaft verfolgt werden würde, wenn dabei vom Lernenden aus gedacht und die Bildung (von jungen Menschen) endlich als gesellschaftliches Kapital der Zukunft verstanden werden würde und Lernende im Mittelpunkt stünden. (Welche Lernplattformen, Lernmanagementsysteme und sonstige digitale Angebote wohl dann entwickelt werden würden?)

photo-1475137979732-b349acb6b7e3Welche Fragen stellen sich junge Menschen heute? Sie möchten die Welt begreifen, weshalb sich gerade alles so gravierend ändert, weshalb sie die Hände waschen oder Masken tragen sollen, weshalb ihre Eltern weniger oder kein Geld verdienen können, wie die finanziellen Probleme gelöst werden sollen, wann alles vorbei sein wird, ob alles überhaupt wieder so sein wird wie vorher, weshalb sie sich so fühlen, wie sie sich fühlen oder weshalb gewisse Freiheiten eingeschränkt werden und ob das alles notwendig ist. Es sind so viele Fragen, die sie sich stellen. Weshalb nicht genau da ansetzen? Weshalb nicht diese Fragen aufgreifen, sie mit ihnen gemeinsam angehen? Es sind nämlich naturwissenschaftliche, historische, politische, ethische und alle anderen Bereiche betreffende Fragen, anhand derer das, was in Bildungspläne ohnehin steht, erarbeitet werden könnte. Mit dem Unterschied, dass es persönlich sinnstiftende Aufgaben und authentische Probleme wären. Weshalb nicht dahingehend in den nächsten Wochen investieren und die Schüler_innen erfahren, spüren lassen, dass sie Teil der Gesellschaft sind, sie ernst genommen werden und werden müssen, weil auch ihren Handlungen Auswirkungen für andere haben? 

Die Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen, bedeutet nicht nur, ihnen die Verantwortung für ihre Lernprozesse zu übertragen, sondern ihnen auch Freiheiten zu gewähren, diese zu gestalten. Dazu gehört sie dabei zu unterstützen, herauszufinden, wie ihnen das am besten gelingt. Das gilt übrigens auch für Schulleitungen, Lehrer_innen und andere am Schulleben Beteiligte, die in einem Schulentwicklungsprozess auch Lernende sind und dort ebenfalls mehr Freiheiten bräuchten. In der aktuellen Situation oder mit dem Blick auf die Tage vor der Schließung der Schulen sieht man diese Notwendigkeit vielleicht noch deutlicher. Wenn alle Schulen jede Mal darauf warten müssen bis an der obersten Spitze der Hierarchie des jeweiligen Bundeslandes beschlossen wird, was und wie sie umsetzen und kommunizieren sollen, bleibt am Ende nur noch ein überschaubarer Planungs- und Handlungsspielraum übrig.  

photo-1493946740644-2d8a1f1a6affEs ist die Perspektive der Lernenden, die in Bildungsdebatten so häufig untergeht. Grob überzeichnet bedeutet das: Die Politik blickt auf die Bildung und schielt auf die nächste Wahl, die Lehrenden blicken auf die Bildung und schielen zum nächsten Vorgesetzten und die Eltern blicken auf die Bildung und schielen auf den vermeintlich nächsten Job ihres Kindes. Vereint werden diese Perspektiven oft durch ein gemeinsames Bildungsverständnis bzw. Missverständnis, in dem das, was unter Bildung verstanden wird, über Wissensvermittlung erreicht wird. Es mag für einige nur ein Begriff sein, der mal mehr oder weniger bewusst verwendet wird. Es stecken aber ein klares Verständnis, ein Bild und eine Haltung dahinter: Die Lehrenden verfügen in diesem Setting über das zu vermittelnde Wissen, legen vorher den genauen Verlauf fest und wählen das Ergebnis, in der Annahme, Wissen sei eine Information, die nur auf dem richtigen Weg, in der adäquaten Dosis, am geeigneten Ort und zum passenden Zeitpunkt von ihnen zu Lernenden transportiert werden müsse. Und das jetzt alles in digital. Von Lernenden aus gedacht und umgesetzt, handelt es sich beim Lernen um einen Wissenserwerb, der in einem möglichst offenen, freien und persönlich sinnstiftenden Prozess abläuft. Hierbei helfen Lehrende, in dem sie dafür günstige Gelegenheiten schaffen, in denen möglichst selbständig und individuell Zusammenhänge erschlossen werden können. Das Lernen ist wirksam und nachhaltig, weil sich das erworbene Wissen dabei mit bestehendem verknüpft und das Gesamtverständnis prägt.

(In der aktuellen Lage profitieren die Kinder und Jugendlichen, die zum Wissenserwerb befähigt wurden. Die Vertreter_innen der Wissensvermittlung setz(t)en nun darauf, dass entweder Eltern die Aufgaben des Lehrenden übernehmen oder Schüler_innen schon so trainiert und willig sind, die Abläufe selbständig abzuspulen. )  

Blick in die Glaskugel 

photo-1502476698613-931a9afd2488Dass sich in den letzten Wochen schlagartig Lehrer_innen mit Digitalem auseinandergesetzt haben, lag an genau zwei Aspekten: dass sie es mussten und dass die Zeit dafür da war, sich einzuarbeiten. Dementsprechend ist eine entscheidende Variable bei allen Blicken in die Glaskugel die Dauer der Ausnahmezustandes. Je länger Schulen gezwungen sein werden, das Lehren und Lernen im und mit dem Internet zu denken, umso mehr werden sich die dabei entstandenen Ideen, Ansätze und Erfahrungen im späteren Schulalltag verstetigen und in den zukünftigen Entwicklungen niederschlagen. Der große und von einigen erhoffte Wandel wird unabhängig von der Dauer eher nicht zu erwarten zu sein. Jeder, der sich mit der Thematik schon länger beschäftigt, weiß auch, dass es sich hinsichtlich der Umsetzung zeitgemäßer Bildung u.a. um eine Frage der Strukturen, Ressourcen und Haltungen (besonders in Führungsebenen) handelt, die am Ende die entscheidenden Hebel darstellen, wenn es um grundlegende, nachhaltige Veränderungen geht.

Eine weitere Perspektive in dieser Rechnung ist auch der Verstärker-Effekt der Digitalisierung, den Jöran hier ausführlicher beschrieben hat. Die, die schon vorher einen großen Wert auf Anweisungen und Kontrolle gelegt haben, werden das mit digitalen Medien danach noch stärker können und wahrscheinlich praktizieren. Es werden aber auch die Personen, die sich vorher schon gerne informiert, ausgetauscht und vernetzt haben, das im und mit dem Netz noch stärker können und tun. Diese Gruppe kontinuierlich weiter wachsen zu lassen, Begegnungen und Möglichkeiten in digitalen und physischen Räume zu schaffen, ist und bleibt somit weiterhin die Aufgabe derer, die sich engagieren, Bildung in einer Kultur der Digitalität ankommen zu lassen. Auch nach Corona.