Am Samstag vor einer Woche fand das DemokratieCamp statt, zu dem sich um die 300 Demokrat*innen aus der Region Freiburg in der Lounge des SC Freiburg trafen, um die Arbeit nach den Demos anzugehen. Sie wollten sich informieren, austauschen und gemeinsam planen, wie die Demokratie gestärkt und geschützt werden kann. Weil ein Interesse (auch aus anderen Regionen und Städten, die ähnliche Ideen und Ziele verfolgen) an den Ergebnissen besteht, aber auch an der Frage, wie es weitergeht bzw. weitergehen kann, fasst dieser Beitrag wesentliche Aspekte in einem Rückblick und Ausblick zusammen. (Die Badische Zeitung hat hier, radio dreyeckland hat hier und der SC Freiburg hat hier über das DemokratieCamp berichtet.) 

Rückblick

Werte

Es ist alles andere als selbstverständlich, dass um die 300 Menschen freiwillig an einem Samstagmorgen erscheinen, um den ganzen Tag an der Stärkung und dem Schutz der Demokratie zu arbeiten. Es kamen Schüler*innen, Lehrkräfte, Unternehmer*innen, Vereins- und Medienvertreter*innen, Menschen von diversen Initiativen, aus dem Kultur- und Politikbereich oder Einzelpersonen als Demokrat*innen, die das Bedürfnis haben, etwas zu tun. Sie unterschieden sich in ihren verschiedenen Rollen, ihrem Wissen und ihren Perspektiven. Sie einte, die Demokratie stärken und schützen zu wollen, angetrieben von gemeinsamen Werten, die bei Menschen in der Regel tief verwurzelt sind. 

Folgendes Ergebnis hatte eine Umfrage (an der 158 Personen teilnahmen) dazu im Vorfeld des DemokratieCamps ergeben:

(Werte, die mehrfach genannt wurden, erscheinen größer in dieser Wortwolke.)

Es darf auch nicht unterschätzt werden, wie viele gekommen waren, obwohl sie nicht wussten, was sie erwartet, da es kein Programm gab. Das Barcamp-Format zeichnet aus, dass ein Programm erst vor Ort mit allen Anwesenden gemeinsam und demokratisch erstellt wird. Das verlangt eine ordentliche Portion Offenheit, Vertrauen und Bereitschaft sich auf etwas Neues einzulassen. Und das mit Menschen, die man nicht kennt und in einem unbekannten Umfeld. Es besteht auch ein gewaltiger Unterschied darin, für ein, zwei Stunden zu einer Kundgebung zu gehen oder einen ganzen Tag in ein Projekt zu investieren, bei dem der Verlauf und Ausgang vorher komplett offen sind. Beim DemokratieCamp war dieses Potenzial zu spüren und wurde eine Energie freigesetzt, die bis heute nachwirkt.

Programm

Nach einer guten Stunde der Vorstellung und Abstimmung von Ideen, woran und wie gearbeitet werden soll, stand das Programm mit 54 Sessions. So hatte jede Person in vier aufeinanderfolgenden Zeitblöcken von 45 Minuten jeweils 14 verschiedene Angeboten zur Auswahl. (Nur in der ersten Zeitschiene waren es 12.) Um die Inhalte der Angebote allen zugänglich zu machen, die nicht daran teilnehmen konnten, wurde vereinbart, in vorher angelegten (Online-)Vorlagen gemeinsam als Gruppe zu dokumentieren. In 47 Sessions hat das funktioniert (was im Vergleich zu anderen, ähnlichen Barcamps eine hohe Quote darstellt). Die Protokolle kann man hier nachlesen. 

Eine Session, Gesicht zeigen, vom Fotografen Peter Herrmann fand in den ersten zwei Zeitschienen statt und erscheint nicht in den Protokollen oder dem Programm, weil es ein offenes Angebot war. Er hatte eine Fotoecke aufgebaut, in der sich Demokrat*innen von ihm professionell ablichten lassen konnten, um diese Bilder mit dem Hashtag #DemokratieVereint im Netz zu teilen und sich über ihre Social Media-Kanäle zur Stärkung und zum Schutz der Demokratie zu positionieren und der Bewegung der letzten Wochen ein Gesicht bzw. viele Gesichter zu geben. (Peter Herrmann und Hans Simonyi, ebenfalls Fotograf, haben die Veranstaltung mit zahlreichen Bildern dokumentiert, die sie hier und hier allen zur Verfügung gestellt haben.)

Wirkung

Es wurde diskutiert, sich informiert, Expertise gebündelt und transparent gemacht, sich vernetzt, konkret geplant oder auch (mit der Foto-Aktion) direkt gehandelt. Es herrschte durch das gemeinsame Ziel, die Demokratie stärken und schützen zu wollen, eine Grundstimmung der Verbundenheit. Als nach der Planung die Arbeit an den verschiedenen Stellen aufgenommen wurde, wandelte sich die anfängliche Skepsis (gegenüber dem Ablauf) einiger (die zum ersten Mal bei einem Barcamp waren) zunehmend in Zuversicht. Es wurde an einigen Stellen zwar klar, dass demokratische Prozesse nicht einfach sind und der Weg noch lang und steinig ist, er aber gemeinsam gegangen werden muss und kann. 

Weshalb Sessions, die z.B. fragten, wer und weshalb nicht zum DemokratieCamp erschienen war und sprach, wichtig waren, um eine ehrliche und notwendige Auseinandersetzung darüber zu führen, welche Möglichkeiten der Teilhabe und Teilgabe tatsächlich vorliegen und welche strukturellen Probleme diesbezüglich angegangen werden müssen. Dass sich am Ende des DemokratieCamps alle gegenseitig applaudierten und bestärkten, war ein emotionaler, schöner und wichtiger Moment, den auch die Kundgebungen erzeugen: Zu erleben, nicht allein zu sein, in diesen schwierigen Zeiten. Verbündete um sich zu wissen und zu spüren wirkt empowernd und ist auch Teil eines Vorgehens, wie die Demokratie gestärkt und geschützt werden kann.

Ausblick

„Wie geht es weiter?“

Mit der Frage, wie es nach den Demos weitergeht, wurde das DemokratieCamp eröffnet und beendet, weil gesagt wurde, dass es immer noch offen sei, wie es weitergehen kann, soll und muss. Eine knappe Woche später traf sich deshalb eine Gruppe von gut 20 Personen, um diese Frage erneut aufzugreifen und zu klären. Was zur Erkenntnis führte, dass es sich hierbei nicht um eine Frage, sondern um eine nie endende gesamtgesellschaftliche Aufgabe in einer Demokratie handelt. „Wie geht es (nach den Demos) weiter?“ muss sich jede*r Demokrat*in, jeder Verein, jede Institution, jedes Unternehmen und jede sonstige Organisation immer wieder aufs Neue fragen und dabei kritisch reflektieren, was bisher vorliegt, das die Demokratie stärkt und schützt und was noch notwendig ist bzw. wie das erreicht werden kann. 

Um hierfür dauerhaft einen Raum zu schaffen und es nicht bei den Kundgebungen und dem DemokratieCamp zu belassen, hat sich einen Personenkreis (ein Projekt, das aus einer Session entstanden ist) gebildet, der an Ideen arbeitet, wie das aktuelle Potenzial und die demokratische Energie in der Region Freiburg verstetigt werden kann. Organisiert wurde die Arbeit bisher über eine Signal-Gruppe und einem (hybriden) Treffen (in Präsenz und Online zugeschaltet). Um möglichst schnell und vielen Demokrat*innen einen Zugang zu allen Informationen und Entwicklungen zu bieten, wurde dabei beschlossen, eine gemeinsame digitale Plattform bereitzustellen und zu nutzen.

Gemeinsame Plattform

Alle, die sich beim DemokratieCamp angemeldet haben und angaben, informiert bleiben zu wollen, werden eine E-Mail erhalten, wie sie auf diese gemeinsame Plattform kommen können. (Es handelt sich dabei um HumHub, einer Social-Network-Software. Die Bereitstellung und Finanzierung übernimmt #freiburg_gestalten.) Im besten Fall teilen die DemokratieCamper*innen (oder die, die diesen Beitrag lesen) diese Information und Möglichkeit über soziale Netzwerke und sonstige Kanäle an alle Demokrat*innen aus der Region Freiburg. Ein wesentliches Ziel ist es, damit eine nicht kommerzialisierte Plattform für ein regionales Demokratie-Netzwerk von der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft zu bieten.

(Wer nicht im oben genannten Verteiler ist, in der Region Freiburg lebt und der Plattform beitreten möchte, erhält alle Infos vorerst via E-Mail. Einfach eine Nachricht an orga-team@freiburg-gestalten.de senden.)

Im oben verlinkten Radiobeitrag zum DemokratieCamp sagte ein Schüler, nicht einfach Fremde auf der Straße ansprechen zu können, um mit ihnen über Demokratie zu diskutieren und dass das DemokratieCamp genau dafür einen Raum und eine Möglichkeit geboten hätte. Die gemeinsame digitale Plattform soll so einen Begegnungs- und Dialograum dauerhaft bereitstellen. Damit wäre auch das Problem vieler gelöst, informiert sein und sich einbringen zu wollen. Auch Expertisen und Bedarfe oder bereits berstende Vereine, Initiativen und Projekte könnten transparent gemacht und zusammengeführt werden. Es könnte ein digitales Zuhause für eine Demokratiebewegung sein und die angestrebte Verstetigung begünstigen.

Danke

Über eine Signal-Gruppe wurde mit Dirk Philipi, Solveig Schwarz, Benedikt Sauerborn, Ilaria De Altin, David Pomp, Sarah Baumgart und Hanna Gier das DemokratieCamp über Wochen geplant und vorbereitet. Der SC Freiburg hatte nicht nur attraktive Räume zur Verfügung gestellt, sondern sich im Vorfeld bei der Planung und vor Ort bei der Umsetzung (insbesondere sind hier Arne Stratmann und Sarah Maier zu erwähnen, die das alles mit vielen Mitarbeiter*innen zeitgleich zur Vorbereitung des Europa League-Spiels gegen RC Lens geleistet haben) enorm engagiert und viel zum Erfolg des DemokratieCamps beigetragen. Das hatte nichts mit PR zu tun, sondern spiegelte die klare Haltung des Vereins bezüglich der der Stärkung und des Schutzes der Demokratie wider. Das gilt auch für Tecstage (bzw. Markus Müller sein Team), die dafür gesorgt haben, dass die Technik an diesem Tag nicht (bewusst) wahrgenommen wurde, weil sie überall war, wo sie gebraucht wurde und reibungslos funktionierte, wie sie sollte. Die (kostenfreien) Getränke hatte der SC Freiburg und alles, was an (kostenfreiem) Essen zur Verfügung stand, hat der Verein #freiburg_gestalten finanziert. Danke allen, die am DemokratieCamp mitgewirkt haben und sich auch weiterhin engagieren: #DemokratieVereint.

Zum 27. Februar hatte der Bundeskanzler einen kleinen Kreis von Freiburger*innen zu einem Gespräch in die Lounge des SC Freiburg eingeladen. Spätestens nachdem er auf seinem Insta-Account ein Beitrag gepostet hatte, in dem er mich erwähnte, wurde ich von nicht wenigen Freunden und Bekannten angeschrieben und gefragt, wie das Gespräch (inhaltlich als auch auf menschlicher Ebene) verlief, aber auch wer sonst noch, wie und weshalb für diesen Austausch ausgewählt wurde. Zudem erhielt ich auch kritische Anmerkungen an sich. Dieser Beitrag soll die meisten dieser Fragen klären und ist gleichzeitig eine persönliche Reflexion der 100 Minuten mit dem Bundeskanzler. 

Einladung

Vor zwei Wochen erhielt ich eine Einladung vom Team Dialog des Bundeskanzleramts, in der erklärt wurde, dass sich der Bundeskanzler Olaf Scholz in Freiburg vor Ort einen persönlichen Austausch bzw. Perspektiven und Impulse von gesellschaftlich engagierten Bürger*innen zu folgenden drei Fragen wünscht:

1.) Was macht den Zusammenhalt in Freiburg aus?

2.) Wie stärken wir die Demokratie vor Ort gegen die, die sie schwächen wollen?

3.) Wie interessieren wir andere dafür, sich für die Gemeinschaft und das Gemeinsame konkret vor Ort stark zu machen und die Gemeinschaft aktiv mitzugestalten? 

Das Ziel des Gespräches sei es, Denkanstöße für die gesellschaftliche Debatte und die Arbeit der Bundesregierung aufzunehmen. (Vor Ort erfuhr ich von den anderen, dass ich nicht der einzige war, der die Einladung für nicht echt und ein Produkt digital affiner Freunde oder Spam hielt.)

Ich weiß bis heute nicht, weshalb ich eingeladen wurde. Meine Vermutung ist, dass es daran lag, dass mein Name wegen der dritten, großen Kundgebung der vielen Demokrat*innen in Freiburg in der Zeitung stand. Ich lebe seit 26 Jahren in Freiburg und kenne viele Bürger*innen, die sich wahrscheinlich deutlich länger und stärker in der Region als ich engagieren. Somit kann ich verstehen, dass der Auswahlprozess manche beschäftigt oder Unmut ausgelöst hat, dass sie nicht die Möglichkeit für ein Gespräch mit dem Bundeskanzler erhalten haben.

(Aus meiner Sicht wurde sich bemüht, eine ausgewogene und diverse Runde zu erstellen. Luft nach oben gibt es natürlich immer. Die fehlende Transparenz habe ich als Resultat der Sicherheitsvorkehrungen und knappen Zeit verstanden.)

Was können 100 Minuten mit dem Bundeskanzler leisten?

Nicht viel und viel. Als erstes sind sie ein Zeichen von Wertschätzung. Sich so viel Zeit für Bürger*innen zu nehmen und sich allen Fragen und Aussagen zu stellen, ist nichts Selbstverständliches, weil die Zeit bei so einem Amt sehr kostbar ist. Dass die Presse nicht anwesend sein durfte, habe ich als weitere Wertschätzung der Bürger*innen verstanden, weil sich so über diesen längeren Zeitraum in einem „geschützten Rahmen“ eine Atmosphäre entwickeln konnte, die zu mehr Offenheit und Ehrlichkeit führte. Wurden anfangs konkrete Ideen und Ansätzen von Initiativen, Organisationen und Personen vorgestellt, nahmen zunehmend Botschaften der Bürger*innen an den Bundeskanzler und die Bundesregierung den Raum ein.

Persönlich hatte ich mir im Vorfeld ein, zwei Punkte überlegt, die ich je nach Stimmung und Gelegenheit, dem Bundeskanzler mitgeben wollte. Das konnte ich, weil sie zu den Aussagen der anderen Freiburger*innen passten und sich gut ergänzten. Dabei ging es u.a. um den Wunsch, die Arbeit rund um politische Bildung und Demokratiebildung in und außerhalb von Schule deutlich stärker und vor allem nachhaltiger zu fördern. Auch, dass beim DemokratieCamp nur wenige Tage zuvor und in der gleichen Räumlichkeit die Frage gestellt wurde, wer und weshalb nicht gekommen war, um sich zu beteiligen. Ich verwies darauf, dass es sich dabei oft um strukturelle Probleme handle, weil Menschen schlicht die Kraft und Zeit fehle, sich ehrenamtlich zu engagieren, wenn sie in prekären Lebensumständen feststecken würden und dass die meisten dieser Baustellen eine bundespolitische Lösung erfordern.

Zuletzt ging es mir um Migration, welchen Stellenwert dem Thema zugesprochen wird, wem es nutzt und vor allem welches Menschenbild hier von ihm und anderen gezeichnet wird und welche konkreten Folgen das für Millionen von Menschen im Alltag hat. Es wurde auch angesprochen, dass der Blick auf die Ursachen von Migration gerichtet werden muss, um hierzu eine ehrliche Auseinandersetzung führen zu können. Die kleine Runde der Freiburger*innen war sich (meiner persönlichen Wahrnehmung nach) einig, dass uns eint, für ein Menschenbild einzustehen, das allen ein Leben in Würde ermöglicht und wir uns wünschen, dass dieses Bild auch vom Bundeskanzler und der Regierung gezeichnet und kommuniziert wird.

Je mehr ich darüber nachdenke, was alles von wem gesagt wurde, stelle ich fest, wie viel Zeit und Raum 100 Minuten bieten. Spannend fand ich auch die Einigkeit der Gruppe, dass es noch mehr und regelmäßig solche Möglichkeiten für einen Austausch und eine Vernetzung der Stadt und Region rund um das Thema Demokratie stärken und schützen braucht. Auch ohne den Bundeskanzler. 

„Wie haben Sie Olaf Scholz als Mensch erlebt?“

Diese Frage stellten nicht nur Journalist*innen nach dem Gespräch mit dem Bundeskanzler. Was kann man über einen Menschen sagen und lernen, mit dem man 100 Minuten (ohne Kameras) verbringen durfte? Nicht viel und viel. Je offener und ehrlicher die Debatte wurde, umso mehr Einblicke in seine Denkweise und Haltung konnte man erhalten. Was er auf meine Fragen und Aussagen geantwortet hat, möchte ich nicht schreiben, weil ich den eigenen Ansprüchen, hier korrekt zu sein, nicht gerecht werden würde (und es auch aus diversen Gründen schwierig finde). Meinen Eindruck von ihm als Mensch, als Resultat seiner Antworte, kann ich aber schildern.

Wer mich kennt, weiß, dass ich kein großer Fan von Olaf Scholz bin. Manches, was er macht und sagt oder auch nicht, deckt sich nicht mit meinen politischen Vorstellungen oder den Erwartungen und Wünschen. Trotzdem muss ich auch zugeben, einen Menschen erlebt zu haben, der überzeugt ist, dass Richtige und in diesem Kontext auch alles Mögliche zu tun. Seine Begründungen und Denkweise folgten einer juristischen Logik. Ich hatte deshalb nicht den Eindruck, ihn mit meinen Worten menschlich erreichen zu können. Und das nicht, weil er es nicht zugelassen oder gewünscht hätte. Seine Offenheit und Ehrlichkeit habe ich als authentisch wahrgenommen. Das schätze ich sehr und verdient Respekt. Ich bin auch sehr dankbar für die Gelegenheit, überhaupt meine Perspektiven eingebracht haben zu dürfen.

Ich schreibe das auch, weil mich schon länger der Umgang mit Politiker*innen und wie sie wahrgenommen werden beschäftigt. In den letzten Jahren habe ich einige kennengelernt und Einblicke in Ihre Arbeit und ihren Alltag erhalten. Meiner Erfahrung nach stecken sie ebenfalls, wie die meisten anderen, in überholten Systemen fest. In der Regel ist ein politisches Ergebnis nur ein Kompromiss eines langen steinigen Weges. Deshalb erwarte ich auch keinen Wandel von oben. Der Bundeskanzler selbst meinte, auf die Bürger*innen und ihr Engagement zu setzen, wenn es darum ginge, die Demokratie zu stärken und zu schützen. Hier stimme ich ihm voll zu und hoffe, dass es gelingt, die demokratische Bewegung der Zivilgesellschaft der letzten Wochen zu verstetigen.

(Ergänzende Randnotiz: Den Unmut, die Wut und Sorge, die viele aufgrund großer, drängender und komplexer Probleme spüren, kann ich gut nachvollziehen. Jedoch nichts davon rechtfertigt, die zunehmende Aggressivität und Gewalt gegenüber Politiker*innen der letzten Monate und Wochen, die eine Schwächung der Demokratie darstellen. Vielleicht kann durch die aktuelle demokratische Bewegung eine Möglichkeit geschaffen werden, eine Debattenkultur einzuführen und zu etablieren, die eine Demokratie stärkt.)

Immer mehr Menschen sagen, dass die unglaublich vielen, unterschiedlichen Kundgebungen, die bundesweit in kleinen und großen Städten oder Gemeinden seit Wochen stattfinden, nur ein Auftakt sein können, für eine Arbeit, die folgen muss, um unsere Demokratie zu stärken und zu schützen. Deshalb erhalten am 24. Februar im Europa-Park Stadion (bzw. der Lounge) Demokrat*innen aus Freiburg und der Region die Möglichkeit, diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe bei einem DemokratieCamp gemeinsam anzugehen. In diesem Beitrag wird erklärt, welche Ideen dahinter stecken, wie man sich auf den Tag vorbereiten und wie man vor Ort helfen kann. (Wer sich noch nicht angemeldet hat, kann das hier nachholen. Es gibt insgesamt 300 Tickets.)

Was kann ein DemokratieCamp leisten?

Die unglaublich vielen Menschen, die zu den Kundgebungen auf die Straße gegangen sind und gehen, haben von sich aus beschlossen, jetzt einen aktiven Beitrag leisten zu müssen. Sie haben als Demokrat*innen ihre Verantwortung erkannt und sie übernommen. Das DemokratieCamp setzt genau da an und ermöglicht, diese Aktivierung und Energie in den Alltag zu überführen und dort zu verstetigen. Es geht somit darum, möglichst viele Demokrat*innen in ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle und Verantwortung zu be|stärken und sie an ihre Fähigkeit zu erinnern, ihr Lebensumfeld mehr gestalten zu können, als es manchen auf den ersten Blick erscheint. 

Eine zentrale Botschaft des DemokratieCamps lautet: dass jede Person einen wichtigen Beitrag leisten kann, schon leistet und auch weiterhin leisten muss, wenn es darum geht, unsere Demokratie kurz- und langfristig zu stärken und zu schützen. Das DemokratieCamp bietet einen Raum, um herauszufinden, wie das am besten gelingen kann. Es können nur Lösungen eine Wirkung entfalten, die von einem breiten Teil der Gesellschaft entwickelt und getragen werden. Deshalb ist es notwendig, dass diverse Menschen mit verschiedenem Wissen und unterschiedlichen Sichtweisen zusammenkommen, um an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. 

Zwar hat die CORRECTIV-Recherche rund um die Deportationspläne Rassismus in den Mittelpunkt gerückt. Wer aber die weltweit erstarkenden faschistischen Kräfte und Ideen betrachtet, stellt fest, dass es um die Einschränkung von Freiheitsrechten und Zunahme von Gewalt gegenüber vielen, unterschiedlichen Gruppen geht: Frauen, Arme, Behinderte, junge und alte Menschen, Homosexuelle, trans Personen und zahlreiche weitere Personenkreise. Wer somit eine Demokratie ernsthaft schützen möchte, muss die Freiheitsrechte aller schützen. Eine starke Demokratie arbeitet auch daran, die Freiheitsrechte aller noch mehr zu stärken. Was zu möglichen Fragen führt, die beim DemokratieCamp vertieft werden könnten.

Raum für Fragen und Ideen 

Was stärkt und schützt eine Demokratie? Welches Wissen gibt es dazu schon? Welche Vereine, Initiativen, Netzwerke oder sonstige Organisationen und Personen verfügen vor Ort (in der Kommune, Region) über ein solches Wissen? Was kann, soll und muss kurz- und langfristig getan werden? Wo gibt es öffentliche Räume und Termine, in denen dieser Austausch, rund um Demokratie, geführt und fortgesetzt werden kann? Was kann ich selbst dazu beitragen, in meinem privaten und beruflichen Umfeld? Das sind nur einige Fragen, die aufzeigen sollen, was am DemokratieCamp diskutiert werden könnte. Sie sollen auch anregen, sich im Vorfeld Gedanken zu machen, welche eigenen Fragen man sich stellt und was einem persönlich wichtig erscheint – was einen bewegt. 

Konkret kann das bedeuten, dass man überlegt und diskutiert, welche demokratische Kultur im eigenen Unternehmen, Verein, der Partei, Schule, Hochschule oder sonstigen Organisationen vorliegt oder gemeinsam nach erfolgreichen Ansätzen und Maßnahmen sucht, die sich an anderen Orten bewährt haben. Das können beispielsweise Personen und Anlaufstellen sein, die sich um Betroffene von Diskriminierungen kümmern oder Workshops, die durchgeführt werden, um sich gemeinsam weiterzubilden und zu sensibilisieren. Es kann auch geprüft werden, wie bisher Entscheidungen getroffen und wie diese demokratischer gestaltet werden könnten. Zum Beispiel durch mehr Transparenz und Beteiligung. Oder eine Gruppe plant auf dem DemokratieCamp die nächste Möglichkeit, zu der alle Demokrat*innen aus Freiburg und der Region zueinanderfinden können.

Blaupause

Das DemokratieCamp soll kommunale Netzwerke rund um das Thema Demokratie stärken und schützen bilden und bestehende Arbeit dazu sichtbar machen und fördern. Weil in vielen anderen Städten und Gemeinden ebenfalls die Frage im Raum steht, wie es nach den Demos weitergehen kann, besteht auch die Hoffnung, dass dieses Format für andere Orte als Blaupause dient. Mit den bundesweiten Kundgebungen und Aktionen der letzten Wochen liegen ein demokratisches Potenzial und eine gesellschaftliche Chance vor. Diese gilt es zu nutzen. Das DemokratieCamp stellt eine Möglichkeit dar: Ein Angebot von der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft.

Wie kann ich mich vorbereiten?

Die beste Vorbereitung besteht darin, für sich zu klären, weshalb man sich zum DemokratieCamp angemeldet hat: welche Fragen einen beschäftigen, Probleme einen belasten oder Ideen man mit anderen teilen möchte. Das Besondere an dem Tag ist der Zugang zu vielfältigen Expertisen und unzähligen Perspektiven, vereint an einem Ort. Hier lassen sich Verbündete finden, mit denen man gemeinsam ein Projekt angehen kann oder Expert*innen treffen, mit denen passgenaue Lösungen entwickelt werden können. 

Wer schon eine konkrete Idee hat, kann diese gerne als kurze Präsentation (eher wenige Folien, Slides, weil der Austausch im Mittelpunkt steht) vorbereiten. Es werden einige Bildschirme (wahrscheinlich mit AppleTV und/oder einem HDMI-Anschluss) zur Verfügung stehen. Wer einen Workshop anbieten möchte, kann gerne sein benötigtes Material dafür mitbringen. Das DemokratieCamp bietet allem einen Raum, was die Demokratie stärkt und schützt. (Hier kann der zeitliche Ablauf nachgelesen werden.)

Wie kann ich helfen?

Informationen für alle

Am besten wäre es, wenn zu jedem Austausch ein Protokoll zum Nachlesen vorliegen würde. So könnten sich dann alle, die nicht dabei sein konnten, ebenfalls informieren und eventuell auch an Projekten beteiligen, die an dem Tag entstanden sind und fortgeführt werden. Es wird dafür beim DemokratieCamp digitale Protokollvorlagen geben. Um diese zu bearbeiten, wird man ein Tablet oder einen Laptop (zur Not auch ein Smartphone) benötigen. Wer beim DemokratieCamp einen solidarischen Beitrag leisten möchte, kann ein mobiles Endgerät mitbringen und in den Austausch-Runden mitschreiben. (Vor Ort wird es nochmal ausführliche Informationen dazu geben.) Im besten Fall gibt es am Ende des Tages eine für alle digital zugängliche Sammlung von Ideen und Ansätzen, wie unsere Demokratie gestärkt und geschützt werden kann. Der Hashtag #DemokratieVereint soll diese im Netz auffindbar machen.

Respektvolles miteinander und Solidarität 

Der Konsens vor Ort sollte sein, dass unabhängig der Ansichten alle respektvoll miteinander umgehen und sich gegenseitig helfen und unterstützen, wo das gewünscht und möglich sein sollte. Zu einer starken Demokratie gehört, dass miteinander gestritten und stets gegenseitiger Respekt gewahrt wird. Dabei sollte es stets um die Sache gehen: miteinander statt gegeneinander streiten. Bestenfalls lautet das Ziel, an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. Hierzu kann jede Person einen wertvollen Beitrag leisten.