nffg_sharepic_01Netzkultur entsteht aus der Kommunikation über digitale Netzwerke. Weil es aber kein rein technischer, sondern ein kultureller Wandel ist, kann er nicht in online und offline getrennt werden und betrifft somit die gesamte Gesellschaft. Weder diese Erkenntnis noch die vielen Fragen, die Netzkultur aufwirft, haben es bisher in die breite Öffentlichkeit geschafft. Der Austausch dazu findet meist im Netz oder in Metropolen statt. Wie könnte es gelingen, Netzkultur allgemein zugänglicher zu machen und den Diskurs in die Breite zu öffnen? Genau diese Frage wurde im Oktober letzten Jahres bei einer Barcamp-Session von freiburg_gestalten diskutiert und die Idee des netzkultur_festivals in Freiburg geboren. 

Die vernetzte Welt erfordert, dass global, aber auch lokal gedacht und gehandelt wird. Wir packen diese Herausforderungen mit dem netzkultur_festival freiburg_gestalten an, bei dem Name und Farbgebung Programm sind und zusammenfassen, worum es am 19. Oktober gehen soll: Netzkultur im lockeren Rahmen eines Festivals zu diskutieren, zu erfahren, zu verstehen und uns zu befähigen, nicht nur zuzusehen, sondern den digitalen Wandel nach unseren Werten zu gestalten. Weil die kulturellen Veränderungen und Problemstellungen jeden betreffen und auch nur gemeinsam gelöst werden können, richtet sich unser Angebot immer an alle, mit und ohne Vorwissen. Wir wollen nicht nur thematisch vielfältig sein, sondern auch in der Zusammensetzung. Daher ist jede Person herzlich eingeladen, dabei zu sein.

Netzkultur ist durch den digitalen Raum entstanden, wirkt aber nicht nur dort. Deshalb sollte sich die Debatte nicht auf die Kreise der Netzaffinen beschränken. Allein wie kommuniziert wird oder werden kann wandelt sich grundlegend und beeinflusst auch alle Lebensbereiche derer, die nicht im Netz stattfinden. Mit dem netzkultur_festival möchten wir interessierte Personen aus der regionalen Raum mit unterschiedlichen Expertisen und Perspektiven zusammenzubringen, um Impulse zu setzen, sich auszutauschen und vernetzen zu können.

Das netzkultur_festival möchte primär die Potenziale vor Ort nutzen und sichtbar machen. Wir streben an, die Digitale Transformation möglichst wirksam und nachhaltig zu gestalten und für alle zugänglich zu sein. Eine Option sehen wir darin, entgegen der üblichen Praxis, die „Propheten“ im eigenen Land wertzuschätzen. Deshalb haben wir uns grundsätzlich vorgenommen, ca. 70% lokale und 30% überregionale Speaker_innen zu gewinnen. Weil Netzkultur in der Regel auf Bundesebene oder in Metropolen wie Berlin und Hamburg diskutiert wird, wollen wir sie endlich kommunal aufgreifen und Raum für einen breiten, öffentlichen Diskurs schaffen.

Beim netzkultur_festival erwartet euch eine bunte Mischung aus Impulsvorträgen, Diskussionsrunden und Workshops in den Räumen des Kreativparks Lokhalle. Die genaue Gestaltung der Angebote überlassen wir den Expert_innen, die sie auf der Website vorstellen. Das Ganze wird musikalisch umrahmt und endend in einer Feier am Ende des Tages. Wir haben bereits einige Zusagen von spannenden Speaker_innen, andere Gespräche befinden sich noch im laufenden Prozess. Die Planung des Tages ist, wie die Website, noch nicht abgeschlossen. Aktuelles zum Tag wird neben der Website über Facebook und Twitter kommuniziert.

Das netzkultur_festival greift nicht nur technische Fragen auf, sondern auch kulturelle, ethische, politische, philosophische oder psychologische. Seid dabei und meldet euch mit dem Kauf eines kostenlosen Tickets an. (Es besteht keine Anmeldefrist. Bei 120 Personen wird der Ticketverkauf eingestellt. Wer auf die Warteliste möchte, mailt uns an die unten aufgeführte Adresse. Wenn Tickets storniert werden, informieren wir die Personen dieser Liste, dass sie nachrücken. Deshalb bitten wir auch alle, sich nur dann ein Ticket zu sichern, wenn eine Teilnahme verbindlich geplant wird und es möglichst früh wieder zu stornieren, falls sich herausstellen sollte, dass die Teilnahme doch nicht möglich ist.)

Damit das netzkultur_festival kostenfrei und für alle offen sein kann, finanzieren wir den Tag über Sponsoren. Falls ihr die Idee ebenfalls unterstützen möchtet oder ein Thema habt und eine Person kennt, das, bzw. die auch Raum erhalten sollte, schreibt uns einfach an: orga@netzkulturfestival.de

doors-3798125_1920Die Digitale Transformation, bzw. die grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung ist ein hochkomplexes und global zusammenhängendes kulturelles Geflecht. Die Auseinandersetzung damit muss auf allen Ebenen stattfinden, besonders auf der regionalen. Interdisziplinäres Denken und Handeln bilden dabei essentielle Kompetenzen, auf der Suche nach Lösungen oder bei der Entstehung von Innovation und gesamtgesellschaftlicher kultureller Teilhabe.

Wer Veranstaltungen zur Digitalisierung, Digitalen Bildung, Arbeit oder einem anderen Platzhalter, sichtet, stellt fest, dass in der Regel der Fokus auf eine Zielgruppe, bzw. ein Thema gelegt wird. Hier fehlt es oft an Systemdenken, der Transformationsprozess wird nicht als kultureller, gesamtgesellschaftlicher Wandel verstanden oder die Verantwortung kann oder wird nur für den eigenen Bereich gesehen und übernommen. So werden bei diesen Events meist Bedarfe und Bedürfnisse erhoben und formuliert, denen von Beginn an eine Vielfalt von Perspektiven und Expertisen fehlt. Deutlich wird das spätestens im nächsten Schritt, wenn konkrete Handlungen verfasst werden, diese interdisziplinär sind und verantwortliche Personen, Institutionen oder Unternehmen sich nicht zuordnen und finden lassen. 

Wie können aber fachliche Verantwortlichkeiten überwunden werden, wenn dafür weder die Strukturen noch notwendigen Haltungen vorhanden sind? Es braucht offene, flexible, barrierefreie, physische und gedankliche Räume, in denen Menschen sich als Gestalterinnen und Gestalter neu entdecken und erfinden (können). Hier sind auch regionale Institutionen und Unternehmen gefordert und in der Verantwortung, diesen Rahmen, in dem interdisziplinäres Denken und Handeln stattfinden können, zu schaffen, innerhalb dieser Begegnungsstätten unterstützend zu wirken, zu begleiten und zu fördern. Das große Potenzial eines kulturellen Wandels liegt aber weiterhin in der Zivilgesellschaft und deren Beteiligung. Die regionale Aufgabe lautet somit: Interdisziplinäre Begegnungen und kulturelle Teilhabe ermöglichen.

Angebote allein generieren nicht automatisch Partizipation. Das lässt sich an den kommunalen, digitalen Beteiligungsplattformen beobachten, die zunehmend an Beliebtheit erfahren und meist den Beleg des guten Willens, der Bevölkerung eine Beteiligung zu ermöglichen, nicht überschreiten. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Ein meist unterschätzter dabei ist, dass Beteiligung gelernt werden muss. Und weil niemand etwas müssen möchte, kann nur über gesamtgesellschaftlich zugängliche und attraktive Angebote ein Wollen erreicht werden. Die Attraktivität besteht nicht allein aus der Möglichkeit der Beteiligung, sondern auch aus Elementen wie allgemeine Zugänglichkeit, Wirksamkeit oder Nachhaltigkeit.

Bestrebungen, strukturelle Veränderungen herbeizuführen, sind zäh, kräfteraubend und spätestens seit der Erkenntnis, dass Systeme sich selbst erhalten, teilweise vorab zum Scheitern verurteilt. Hier liegt das stärkste Argument für interdisziplinäre Räume. Die gesellschaftlich notwendigen, aber auch möglichen Lösungen und Innovationen im Transformationsprozess befinden sich in den noch unbeschriebenen und unbesetzten Zwischenräumen und müssen gar keine Konkurrenz zum Bestehenden bilden – im Gegenteil. Auch sie profitieren von den Experimentierräumen, die Freiheiten bieten, bzw. strukturelle Hürden überwinden oder Potenziale offenlegen und fördern. Was die schlechte und gute Nachricht zugleich darstellt. Die Verantwortung muss zwar übernommen werden, aber die Freiheit der Gestaltung ist dabei offen. Alle sind hier gefordert. (In Freiburg gibt es seit einige Monaten ein zivilgesellschaftliches Angebot, das alle Bürgerinnen und Bürger einlädt, diese Zwischenräume gemeinsam und regional zu gestalten.) Die langfristige, regionalgesellschaftliche Aufgabe lautet somit, sich neu zu entdecken und zu erfinden, interdisziplinär gestaltendend, im kulturellen Wandel.

Im März diesen Jahres gelang es mit dem Barcamp Lernräume, dass sich in Freiburg 24 unterschiedliche Institutionen und Gruppierungen als gleichwertige Partner auf das Experiment einließen, gemeinsam einen Tag vorzubereiten, ohne vorher ein Programm festzulegen. Alle konnten über die Art und Menge an beigesteuerten Ressourcen jederzeit selbst entscheiden. Geplant wurde online und offline. Transparent und offen über ein für alle einsehbares und bearbeitbares Dokument, das im Netz abgelegt war und auf mehreren Treffen diskutiert wurde. Mit dem Ergebnis, dass ein vielfältiger Kreis aus ca. 200 Menschen zum Barcamp kam und 40 verschiedene Angebote gestaltete. Neben den vielen Impulsen, dem Austausch und der Vernetzung entstand eine Art Aufbruchsstimmung, die auch noch Wochen danach zu spüren war. So kam es bei der darauf folgenden Nachbesprechung der Planungsgruppe zur Idee, dieses Potenzial aufzugreifen und größer zu denken. Man war sich einig, dass dieser Tag sich jährlich wiederholen muss und einen guten Beginn darstellt, aber kommunal betrachtet das nicht genügen kann. 

Deshalb wurde dieser Schwung aus dem gemeinsamen Auftakt genutzt, eine Freiburger Bürgerbewegung zu gründen, um die grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung (Digitale Transformation) nach dem Prinzip „Think globally, act locally“ regional zu denken und mitzugestalten. Das Spektrum kommunaler Herausforderungen ist grenzenlos. Von der Frage, welche Räume unsere sich wandelnde und vielfältige Gesellschaft braucht, um alle Bürger_innen mitzunehmen und zur Mitgestaltung zu befähigen, bis hin zu netzpolitischen Themen, wie freies WLAN oder die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit öffentlicher Daten. Bei den ersten Treffen wurden der Name, das Konzept und das weitere Vorgehen entwickelt, das ich mit diesem Blogbeitrag kurz vorstellen möchte. 

freiburg_gestalten_header#freiburg_gestalten ist eine offene, flexible, überparteiliche und kommunale Graswurzelbewegung, die gemeinsam denkt und handelt. Offen für alle Personen und Themen, weil der Kulturwandel alle betrifft. Man beteiligt sich als Privatperson und nicht in Vertretung einer Institution, eines Unternehmens oder sonstiger Gruppierungen. Der Austausch erfolgt auf Augenhöhe. Ob man sich projektbasiert, langfristig, aktiv, passiv, online oder offline einbringt, kann jede Person jederzeit flexibel entscheiden. Die bereits vielfältige Zusammensetzung bietet den Zugang zu unterschiedlichen Expertisen, Perspektiven, Netzwerken, Ressourcen und Ideen, die in einer zunehmend komplexeren Welt notwendig sind, um erfolgreiche Lösungsansätze zu entwickeln. #freiburg_gestalten eröffnet engagierten Personen eine Möglichkeit und einen Anreiz, gesellschaftlich und politisch etwas beizutragen, ohne einer Partei oder einem Verein mit ähnlichen Strukturen, beitreten zu müssen. 

Bildschirmfoto 2018-09-28 um 19.13.37#freiburg_gestalten ist ein Think Tank und kommunaler Begegnungsraum, um Projekt- oder Veranstaltungsideen vorzustellen und dafür Verbündete zu suchen, sich Impulse zu holen, sich beraten zu lassen oder über aktuelle Themen in einem vielfältigen Kreis zu diskutieren. Den Rahmen hierfür bildet ein Mini-Barcamp, das jeden letzten Montag eines Monats in der lpb*-Lounge in der Bertoldstraße 55 von 20Uhr bis 22Uhr stattfindet. Die Planung von Projekten und Veranstaltungen oder die Entwicklung konkreter regionaler Handlungsempfehlungen findet in Kleingruppen statt, die ihre Arbeitsweise und -zeiten separat aushandeln.

Eine Website, auf der der bisherige Personenkreis und die bereits geplanten Projekte, Veranstaltungen oder Ideen vorgestellt werden, ist in Bearbeitung und wird in den nächsten Wochen hier verlinkt. Ein Facebook– und Twitter-Account sind aber schon eingerichtet und werden auf aktuelle Informationen hinweisen.

#freiburg_gestalten sieht sich nicht als Konkurrenz zu bestehenden Angeboten, sondern als für alle zugänglicher Freiraum, in dem nichts muss, aber alles kann.

*Landeszentrale für politische Bildung