Zu Beginn der studentischen Proteste in Serbien wurde in der breiten Öffentlichkeit immer wieder diskutiert und gelobt, wie die Student*innen mithilfe von Plena zu strategisch klugen Entscheidungen kamen. Wie so ein Plenum abläuft, erklärten sie damals mithilfe von Sharepics, die ich hier ins Deutsche übersetzte. Später kam die Frage auf, wie sich Plena der zahlreichen unterschiedlichen Fakultäten miteinander absprechen und organisieren. Das wurde einige Wochen danach ebenfalls mit Sharepics erklärt, die ich zwar übersetzt, aber nie geteilt hatte. Weil nicht nur mich die Frage vermehrt beschäftigt, was man von der demokratischen Bewegung in Serbien lernen kann, möchte ich diese Dachstruktur der Belgrader Universität dem deutschsprachigen Raum nachträglich zugänglich machen.

Man sieht bei der Slide mit der grafischen Darstellung der Dachstruktur, wie jede Idee mehrere Gremien durchlaufen bzw. überstehen muss. Sie trifft auf diverse Expertisen und Perspektiven, die sie ihrerseits prüfen, diskutieren, korrigieren und ergänzen: zuerst im lokalen Plenum, danach in der Dacharbeitsgruppe, dann erneut im lokalen Plenum und abschließend beim Großen Delegiertentreffen, wo über jeden Vorschlag final abgestimmt wird. Dieser Prozess macht deutlich, dass eine wirksame und nachhaltige demokratische Praxis viel Zeit erfordert, die im Fall der Student*innen durch die Blockade der Fakultäten gewonnen wurde. Es bleibt zu hoffen, dass es ihnen gelingt, diese Strukturen und Prozesse in einem zukünftig demokratischen Serbien zu verankern. (Hier gibt es seit längerer Zeit ernsthafte Bemühungen.)

Am 1. November 2024 um 11:52 Uhr stürzte das Dach der Bahnhofshalle in Novi Sad ein und tötete 15 Menschen. Die Tragödie löste landesweite Trauer aus. Bürger*innen hielten um 11:52 Uhr eine 15-minütige Schweigeminute ab, um der Opfer zu gedenken. Diese Gedenkaktionen wiederholen sich seither täglich zur gleichen Zeit in ganz Serbien.

Am 22. November 2024 versammelten sich Student*innen und Professor*innen der Fakultät für Dramatische Künste in Belgrad zu einer Mahnwache. Während der angemeldeten Veranstaltung wurden sie von einer organisierten Gruppe körperlich angegriffen. Zwei Student*innen erlitten leichte Verletzungen.

Da Polizei und Staatsanwaltschaft nicht reagierten, traten die Student*innen vier Tage später in einen Streik und blockierten ihre Fakultät. Am 2. Dezember 2024 wurde daraufhin auch das Rektoratsgebäude der Universität Belgrad besetzt. In den folgenden Tagen schlossen sich weitere Fakultäten der Blockade an, darunter die Philosophische, Philologische, Chemische und Mathematische Fakultät.

In Plena, basisdemokratischen Versammlungen mit gleichberechtigtem Stimmrecht für alle Studierenden, wurde die Blockade von immer mehr Fakultäten beschlossen. Inzwischen sind über 60 Fakultäten und Hochschulen in ganz Serbien blockiert.

Wie ein Plenum funktioniert, haben die Student*innen am 03. März 2025 bei Instagram gepostet und die Zivilgesellschaft aufgerufen, sich ebenfalls so zu organisieren. Ich habe die Sharepics übersetzt, um sie auch im deutschsprachigen Raum zugänglich zu machen.