Am Sonntag, den 21. Januar 2024, sind alle Demokrat*innen aus Freiburg und der Region eingeladen worden, sich unter dem Titel Demokratie vereint stärken und schützen um 15 Uhr auf dem Platz der Alten Synagoge zu versammeln. Dieser Beitrag soll ein paar wesentliche Fragen zu Versammlung klären. Ich hoffe dabei auf die Solidarität von Menschen mit Internet, dass diese Informationen möglichst viele Menschen aus Freiburg und der Region erreichen. Hierfür ein herzliches Dankeschön im Voraus.
Programm
Der aktuelle Plan lautet:
15 Uhr bis 15:15 Uhr Begrüßung und kurze Rede
15:15 Uhr bis 15:30 Uhr Demokratiegespräche
15:30 Uhr bis 15:35 Uhr Organisatorisches
15:35 Uhr bis 16:xx Uhr Demokratiebewegung (Aufzug)
16:xx Uhr bis 17 Uhr Demokratiegespräche und Abschluss/Verabschiedung
Am Mittwoch fand die Kundgebung Gemeinsam gegen Rechtsextremismus mit fast 10 000 Menschen statt, die von den Jugendorganisationen (der Parteien) organisiert wurde und die ausschließlich aus verschiedenen Redebeiträgen bestand. Am Samstag planen die Omas gegen Rechts eine Menschenkette. (Hier hoffe ich auf die gleiche Solidarität der Bürger*innen wie am Mittwoch.) Deshalb liegt am Sonntag der Schwerpunktbei einem gemeinsamen „Aufzug“ (so heißt das in Amtssprache, habe ich gelernt) bzw. einer Demokratiebewegung durch die Stadt. Folgende Route habe ich dabei angemeldet:
Demokratiegespräche
Ein Kernziel der Versammlung ist es, dass möglichst viele und diverse Bürger*innen miteinander ins Gespräch kommen, was sie unter Demokratie verstehen, um diesen Begriff mit Bildern zu füllen. Deshalb lade ich alle herzlich ein, Plakate, Schilder oder Banner für den Sonntag zu erstellen, auf denen steht, was für sie Demokratie bedeutet, was das mit ihrem Leben zu tun hat, warum sie die Demokratie jetzt wehrhaft sein muss, welche Werte ihnen wichtig sind oder welche Probleme sie sehen und welche Lösungen sie kennen. Die Staudinger-Gesamtschule Freiburg bietet vor der Demonstration von 13-14:30 Uhr ein gemeinsames Bannermalen im Kunstraum 3 an. (Sie bitten, Kartonagen selbst mitzubringen.)
Demo und dann?
Die Frage, was nach einer Demo passiert, treibt einige Menschen immer wieder um. Zahlreich und regelmäßig Präsenz zu zeigen und eine klare Position zu beziehen, ist nach faschistischen Deportationsplänen richtig und notwendig. Ebenso ist es wichtig, an Ideen und Strategien zu arbeiten, wie sich etwas in den verschiedenen Bereichen, in denen Gesellschaft stattfindet, verändern kann, um die Demokratie, besser schützen zu können. Sie zu stärken, ist eine Möglichkeit. Deshalb laden einige Demokrat*innen am 24. Februar zu einer Veranstaltung Demo und dann? – gemeinsam Strategien zur Demokratiestärkung entwickeln ein, die an der Staudinger-Gesamtschule Freiburg stattfinden wird. Nähere Infos werden auch hier in Kürze folgen. Am besten den Tag im Kalender schon blocken.
Die Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche, in der faschistische Deportationspläne aufgedeckt wurden, hat an mancher Stelle die Diskussion über den Zustand der Demokratie in Deutschland aufleben lassen. In einem hörenswerten Beitrag bei deutschlandfunk stellte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie dazu die Diagnose:
„Das demokratische Deutschland pennt. Alle sind mit ihren Dingen beschäftigt und merken nicht, was läuft.“
Menschen, die diese Einordnung teilen, haben in mehreren Städten zu Demonstrationen aufgerufen und andere aufgefordert, ihrem Beispiel zu folgen. Weshalb ich u.a. für den 21.01.2024 auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg um 15 Uhr eine Versammlung bei der Stadt angemeldet habe, zu der hiermit alle Demokrat*innen aus Freiburg und der Region eingeladen sind. Hier findet man nähere Infos zum Programm.
Solidarität
Das Kernziel der Versammlung ist, dass möglichst viele Bürger*innen sich deutlich zur Demokratie bekennen, den öffentlichen Raum einnehmen und sich und ihre Haltung sichtbar machen. Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir Solidarität. Es ist nicht so, dass Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte (sprich über 20 Millionen in Deutschland), die es gewohnt sind, aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, Religion oder sonstiger äußerer Merkmale diskriminiert zu werden, von den Deportationsplänen überrascht wurden. Es gehört zu ihrem Alltag und ist eine fremdbestimmte Aufgabe, damit umgehen zu lernen, dass eine Partei, die im Bundestag sitzt bzw. ihr Fraktionssprecher solche Dinge sagt:
„Wir können die [Migranten] nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“
Wer die AfD wählt, wählt genau das. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Deshalb schließen sich die faschistischen Deportationspläne vom Potsdam-Treffen an ein systematisches Vorgehen und lange Reihe von menschen- und demokratiefeindlichen Ideen, die auf einem Nährboden von konstruierter Angst und geschürtem Hass gedeihen sollen. Und doch ist dieses Mal anders. Vielleicht liegt es an der weltweiten politischen Entwicklung der letzten Jahre, in der vermehrt Autokraten drohen an die Macht zu gelangen oder es bereits sind. Vielleicht liegt es an den drei Landtagswahlen, die 2024 anstehen, bei denen die AfD aktuell die höchsten Umfragewerte hat und in zweien davon vom Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Vielleicht liegt es auch am lauten Schweigen dazu, von zu vielen Menschen, die denken, sie würde das alle nicht betreffen oder das sei gar nicht so dramatisch.
Es wird immer wieder auch von der “schweigenden Mehrheit“ gesprochen, dass nur Wenige sehr laut seien, diese aber mit ihren extremen Positionen die realen Verhältnisse erfolgreich verzerren würden, weil sie zusätzlich durch die Aufmerksamkeitsökonomie medial verstärkt würden. Das mag weiterhin alles zutreffen. Nur sicher bin ich mir nicht mehr, auch nicht bezüglich meiner Zukunft in diesem Land. Fragt eure Freunde und Bekannten „mit Migrationshintergrund“ wie es ihnen geht. Fragt sie, ob und was sie bereits planen zu tun, wenn sich die Lage in Deutschland weiter verschärft. (Das ist übrigens nicht mit einer Episode von „Goodbye Deutschland! Die Auswanderer “ bei Vox gleichzusetzen, weil ich das in Kommentarspalten sozialer Netzwerke gelesen habe. Es bedeutet, dass Menschen aus ihrem sozialen Umfeld entwurzelt werden, fliehen und ihr Zuhause hinter sich lassen müssen. Die belastenden Auseinandersetzung mit dieser Idee, finden schon statt. Mit Folgen.) Für diese Menschen wäre es ein klares Zeichen der Solidarität, zu den Demos zu gehen und sich darüber hinaus solidarisch zeigen.
Freiheit
Die CORRECTIV-Recherche zeigte auf, was lange bekannt ist: dass es nicht die AfD allein ist, die faschistisches Ideen verwirklichen möchte, sondern sich im Hintergrund gut vernetzte Vermögende, Mittelständler, bürgerliche und universitäre Kreise, Personen aus der Wirtschaft, Vereinen, Stiftungen und Hochschulen sich kümmern und solche Pläne unterstützen. Sie wollen die Demokratie gezielt schwächen, indem sie Wahlen anzweifeln, das Verfassungsgericht diskreditieren, andere Meinungen zurückdrängen und öffentlich-rechtliche Medien bekämpfen. Es ist ein Netzwerk aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und bedroht alle Demokrat*innen. Weshalb nur ein breites antifaschistisches Bündnis die Antwort darauf sein kann. Dieses benötigt u.a. ein geschlossenes Vorgehen demokratischer Parteien, worauf die Sozialpsychologin Pia Lamberty in diesem Interview verweist:
„Demagogen und autoritäre Kräfte gibt es in der Geschichte demokratischer Parteien immer wieder. Wie erfolgreich und einflussreich diese Gruppierungen werden können, liegt auch daran, wie sehr sich demokratische Parteien dem entgegenstellen, wie klar die roten Linien sind, die gemeinsamen Anstrengungen, diese antidemokratischen Gruppierungen zu isolieren.“
Es ist aber auch notwendig, dass Unternehmen, Institutionen, Vereine oder sonstige Gruppierungen und Personen ihre demokratische Verantwortung anerkennen und wahrnehmen, solange das möglich ist. Die Freiheit aller steht auf dem Spiel, auch wenn die Auswirkungen noch nicht für alle erkenn- und spürbar sind. Die Zeit wird dafür immer knapper und der Handlungsdruck steigt. Es braucht jetzt ein Aufbäumen der demokratischen Zivilgesellschaft, die gemeinsam erarbeitet, wie es besser gelingen kann, eine Demokratie zu schützen und zu stärken. Auf Bundes-, Landes- und vor allem auf kommunaler Ebene.
Demokratie und Digitalität
Was nach der Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche zuerst mit einzelnen Social Media-Beiträgen im Netz begann, in denen Personen auf diversen Kanälen Aufzählungen teilten, in welcher Stadt es wann eine Demonstration geben soll, mündete irgendwann als Kalender gebündelt auf dieser Website. Infos zur Versammlung in Freiburg werden andere und ich unter dem Hashtag #DemokratieVereint in unterschiedlichen sozialen Netzwerken teilen. Die Idee des Hashtags ist aber größer.
#DemokratieVereint
Wer Hilfe benötigt oder etwas lernen möchte, findet beides im Netz. Weshalb nicht diese Funktion noch stärker nutzen? Wie wäre es, wenn Bürger*innen gemeinsam an konkreten Ansätzen arbeiten, wie die Demokratie gestärkt und geschützt werden kann? Kurz- und langfristig. Wie wäre es, wenn möglichst viele dauerhaft ihr Wissen, ihre Perspektiven und Ressourcen im Netz miteinander teilen und sie mit dem Hashtag #DemokratieVereint transparent und zugänglich machen würden? Es gab schon andere Hashtags, die zu vielen Einblicken, Erkenntnissen und Netzwerken geführt und gesellschaftliche Debatten ausgelöst haben. Weshalb keine horizontale, demokratische Bewegung, die durch einen Hashtag verbunden und sichtbar wird?
Es gibt bereits viele Vereine, Initiativen, Bündnisse und sonstige Gruppierungen und Personen, die über Expertise verfügen, wie eine Demokratie gestärkt und geschützt werden kann. Es gibt auch zahlreiche Plattformen und Angebote im Netz, die sich damit befassen. Und doch sind sie vielen nicht bekannt und vernetzt. Ein gemeinsamer Hashtag könnte transparent machen, was vorliegt, nötigt und gewünscht ist oder gesucht wird. Weshalb nicht die soziale Netzwerke gemeinsam mit Solidarität fluten? Das könnte auch die Frage klären, was man nach oder am besten auf einer Demo macht: Verbündete suchen, sich austauschen und vernetzen.
Aus einem Gespräch mit einer befreundeten Psychologin habe gelernt, dass man sich in Krisenzeiten schnell vom gewaltigen und komplexen Aufgabenberg überwältigt fühlt und nicht weiter weiß und dass es dann hilft, zu überlegen, welchen Beitrag man selbst leisten kann. Sei er noch so klein. Denn jeder Schritt ist eine Handlung, die einem wieder das Gefühl von Kontrolle gibt. Mit diesem Beitrag hoffe ich einige, kleine und große nächste Schritte aufgezeigt zu haben. Zur Demo gehen ist einer. Gute Bücher, Videos, Fragen, Ideen oder sonstige Beiträge, die helfen könnten eine Demokratie zu schützen und zu stärken, mit dem Hashtag #DemokratieVereint teilen ein anderer. Mit der Familie, Freunden und Bekannten darüber zu diskutieren, wie für alle Menschen ein würdevolles Leben erreicht werden kann, ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag. Wir auch immer der nächster Schritt aussehen mag, wünsche ich allen Demokrati*innen viel Erfolg dabei: #DemokratieVereint.
Nach dem Angriff auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 wurden die Sicherheitsmaßnahmen in Frankreich verstärkt und eine Militärpräsenz prägte noch Monate danach das Pariser Alltagsbild. In dieser Zeit, in der auch in meinem Umfeld die Frage, wie kann, soll und muss man den Gefahren des Terrorismus begegnen, kontrovers diskutiert wurde, machte folgende Grafik in sozialen Netzwerken die Runde. Marianne, die französische Symbolfigur für Freiheit, führt den Tyrannosaurus Rex, der die Sicherheit darstellen und wahrscheinlich alle Gefahren auffressen soll, an der langen Leine. Was mit der Freiheit geschieht, wenn das Instrument der Sicherheit immer mehr wächst, wird hier einprägsam veranschaulicht. Diese Grafik poppt in meinen Gedanken immer wieder auf, wenn ich die Entwicklung im Bezug auf das Internet verfolge. Besonders im Bildungsbereich.
Das Internet wird in den meisten Bildungsdebatten als ein Ort der Gefahren beschrieben und die Kinder davor zu schützen, als oberste Maxime formuliert. Deshalb hört man an dieser Stelle nicht selten, dass Schule einen Schutzraum bieten soll. Hierfür werden Smartphones verboten, soziale Netzwerke verteufelt und eigene Lösungen, wie Moodle oder die zahlreichen Bildungsclouds, entwickelt bzw. angeboten. Und der Datenschutz schreibt den Plot in dieser Geschichte. Natürlich sehe auch ich die Gefahren und finde es notwendig, in einer Welt, in der nicht nur nette Menschen unterwegs sind und permanent Daten generiert und erfasst werden, ein Umfeld zu schaffen, in der sowohl die Freiheit als auch Sicherheit aller Personen gewährleistet werden. Wen, was und wie es zu schützen gilt und welche Freiheiten aufrechterhalten werden sollen, erfordert aber aus meiner Sicht eine gesamtgesellschaftliche kontroverse Debatte. Bisher nehme ich eine dominierende juristische Perspektive wahr. Mit der ab dem 25. Mai 2018 anzuwendenden Datenschutz-Grundverordnung scheint sich die Situation im Bildungsbereich nochmal zu verschärfen. Bei einer Qualifizierungsmaßnahme Baden-Württembergs wurde ich mit weiteren ca. 130 Lehrenden des Bundeslandes vom Kultusministerium informiert, dass man aus datenschutzrechtlichen Gründen Schüler_innen zukünftig nicht mehr auffordern dürfe, mit ihrem Smartphone oder vom heimischen Rechner im Internet zu recherchieren*. Hierbei könnte nämlich ein Zugriff auf personenbezogene Daten erfolgen. Schulen erhalten allein damit einen neuen rechtlichen Rahmen, der das Bild von schulischer Bildung deutlich verändern wird. Ich bin auf die weiteren Richtlinien gespannt, die demnächst sicher folgen werden. Es gilt auch noch zu klären, wie das mit der noch aktuellen, favorisierten Strategie der Kultusministerkonferenz, dem BYOD-Ansatz (Bring Your Own Device bedeutet, dass private mobile Endgeräte in den Unterricht integriert werden.), in Einklang gebracht werden kann.
Freiheit und Offenheit im Internet und des Internets spielen eine zentrale Rolle im digitalen Wandel. In ihnen steckt das Potenzial der kulturellen Teilhabe, Überwindung bestehender Hierarchien oder Demokratisierung. Ich verstehe Schule nicht als Schutzraum, eher als Ort, an denen junge Menschen befähigt werden sollen, mündig und souverän in der Gesellschaft stattzufinden und sie mitzugestalten. Und Gesellschaft findet zunehmend auch im Internet statt. Spätestens wenn junge Menschen die Schule verlassen und ihr Smartphone wieder einschalten. Es ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebens. Kein technisches oder juristisches Sicherheitssystem wird sie stets vor den dort drohenden Gefahren schützen können, sondern das eigene Urteilsvermögen als Resultat von kritischem Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität in einem persönlichen Lernnetzwerk. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu finden, stellt eine weitere Herausforderung für den Bildungsbereich im digitalen Wandel dar, in der aus meiner Sicht aktuell die Freiheit Unterstützung zu benötigen scheint.
*Weil ich bei einem Tweet zu diesem Thema einige Fragen aufkamen, möchte ich sie hier vorwegnehmen bzw. die Antworten drauf schon liefern: Die für Grundsatzfragen des Datenschutzes und technischer Datenschutz im Kultusministerium Baden-Württemberg zuständige Person hat diese Aussage getroffen. Leider wurde nicht der Paragraf genannt, auf den sich diese Aussage bezieht, weil zu viele noch offene Fragen im Raum standen und wir aus Zeitgründen die Diskussion beenden mussten. Genauere Informationen werden aber sicher bald auf der Seite des Kultusministeriums folgen. Allen anderen Lehrpersonen kann ich nur empfehlen, sich mit ihrem Kultusministerium in Verbindung zu setzen und deren Auslegungen der Verordnung in Erfahrung zu bringen.