Nachdem ich vor ein paar Tagen diesen Gedanken zu einer weit verbreiteten Praxis in Social Media veröffentlichte, erhielt ich eine (bei diesem Thema unüblich) große Resonanz (vor allem bei Twitter) und einen Hinweis, dass hierzu ein Handout hilfreich wäre. Deshalb gehe ich in diesem Beitrag auf wesentliche Aspekte und Perspektiven zum Thema Wahl der Klassensprecher:innen etwas näher ein und biete zusätzlich unterstützende Informationen und Ideen an, mit der Hoffnung, dass an mancher Stelle bisherige Zustände und Abläufe kritisch reflektiert, diskutiert und falls nötig korrigiert werden.

Qualen der Wahl

Erfahrungsgemäß gibt es bei Wahlen von Klassensprecher:innen (teilweise stark vereinfacht und überspitzt) zwei sehr beliebte Vorgehensweisen, die auch kombiniert stattfinden können:

Die schnelle Lösung

Am ersten Schultag, zwischen dem Abschreiben des Stundenplans und dem Diktieren der Materialliste, werden Klassensprecher:innen gewählt, um zügig die Pflicht einer To-do-Liste abzuhaken. Die Wahl rangiert damit auf der gleichen Bedeutungsebene wie einen roten Umschlag für das Matheheft zu kaufen.

Die Demokratur

Es werden geeignete Kandidat:innen diktiert bzw. besonders hervorgehoben oder empfohlen, die im Anschluss demokratisch gewählt werden dürfen. Nicht selten wird sich dabei am Notenschnitt der Schüler:innen orientiert, die sich aus der Perspektive der Lehrkräfte meist auch vorbildlich verhalten. 

Beides beinhaltet aus demokratischer Perspektive eine kritisch zu betrachtende Praxis, die mit einer bestimmten Haltung und Vorstellung vom zu wählenden Amt, der Wahl und auch Demokratiebildung zusammenhängt. Der erste Punkt bezieht sich auf die mangelnde Zeit. Zeit ist auch die Währung in Schulen, aus der sich Werte ableiten lassen, die Dingen zugesprochen werden. Wofür viel oder wenig Zeit zur Verfügung steht bzw. zur Verfügung gestellt wird, verdeutlicht und macht transparent, welche Schulkultur vorliegt und Ziele angestrebt werden.

Da Schulen ohnehin hierarchisch strukturiert sind, hängen die Möglichkeiten und Räume der Schüler:innenbeteiligung und -mitbestimmung vom Wohlwollen der Schulleitung und Lehrkräfte ab. Wenn wenig Zeit in die Auseinandersetzung mit den Ämtern und der Wahl von Schüler:innenvertretungen investiert wird, kommt diese Botschaft bei jungen Menschen bewusst und unbewusst an. Sie prägt ihr Verständnis der Schulkultur und ihrer Rolle darin. Solche geringschätzenden Erfahrungen erschweren es auch allen zukünftigen Bemühungen an Schulen, junge Menschen zur Beteiligung zu aktivieren und zu befähigen. Die Bedeutung der Demokratiebildung droht auf diese Weise, die Existenz auf einer To-do-Liste kaum zu übersteigen.

Der zweite Aspekt, der “geeigneten“ Kandidat:innen, greift ein populäres Missverständnis auf, dass Lehrkräfte wüssten, welche Personen weshalb für so ein Amt geeignet seien. Dabei werden z.B. Schüler:innen mit guten Noten oft auch gutes Verhalten zugeordnet (Halo-Effekt) und zusätzlich angenommen, dass solche Leistungen und so ein Verhalten auch zu einem guten Ergebnis für demokratische Prozesse in einer Klasse oder Schule führen würden. Dabei gibt es z.B. in der Psychologie ausreichend Hinweise (Kahneman – Thinking, Fast and Slow), wie schwierig und komplex es ist, zukünftiges Verhalten von Personen innerhalb von Gruppen vorherzusehen und wie sehr und gerne Menschen sich bei dieser vermeintlichen Fähigkeit überschätzen.

(Im meiner knapp 20-jährigen Arbeit mit jungen Menschen im SMV-Bereich war ich lange Zeit sehr überzeugt davon, zu wissen, was gute und geeignete Kandidat:innen ausmacht. Erst nach einigen Jahren hatte die Wahl eines Kandidaten, den ich für völlig ungeeignet hielt und der später das Gegenteil bewies, bei mir zum Umdenken und zur Erkenntnis geführt, wie wenig aussagekräftig meine Erfahrung und scheinbar zuverlässige Eigenschaften in diesem Punkt sein können. Zu viele Kompetenzen und Eigenschaften junger Menschen sind und bleiben, vor allem Lehrkräften, unbekannt.)

Beim einleitenden Beispiel habe ich auf die Perspektive der Lehrkräfte verwiesen, weil sie auch bei der Kommunikation, was als geeignet gilt oder nicht, bedeutend sein kann. Dass Kritik und Widerspruch Elemente demokratischer Prozesse darstellen, wird niemand in Frage stellen. Wie diese aber von jungen Menschen geäußert in Schulen aufgenommen werden, lässt an nicht wenigen Stellen starken Zweifel aufkommen, dass sie gewünscht sind und die Wahrscheinlichkeit senken, dass so ein Verhalten (auch im Kontext von Ämtern der Schüler:innenvertretung und Wahlen) als vorbildlich bezeichnet wird.

Wie wird es richtig gemacht?

Eine einfache Frage, die schwierig zu beantworten ist, weil sie differenziert betrachtet werden muss. Zumindest die juristische Perspektive ist hierzu eindeutig und klar. Ihre Antwort in Baden-Württemberg lautet wie folgt: 

Klassen- und Kurssprecher: innen und deren Stellvertreter:innen werden von Klasse 5 an gewählt.

Die Wahl aller Klassensprecher:innen und ihrer Stellvertreter:innen soll spätestens bis zum Ablauf der dritten Unterrichtswoche im Schuljahr stattfinden, bei Teilzeitunterricht in Blöcken bis zum Ablauf der zweiten Unterrichtswoche des ersten Unterrichtsblocks im Schuljahr. 

[siehe Schulgesetz  §§ 65 und SMV-Verordnung §§ 3]

Man hat somit drei Wochen Zeit die Klassensprecher:innen zu wählen. Ein Zeitraum, der ausreichend Möglichkeiten bietet, das Thema ausführlich anzugehen. (Diese drei Wochen stellen übrigens gleichzeitig eine Frist dar, die erfahrungsgemäß an einigen Schulen unbekannt ist und manchmal weit überschritten wird.)

Eine weitere möglichen Perspektive auf die Frage, wie es richtig gemacht wird, ist, wie eine solche Wahl aus demokratiepädagogischer Sicht vorbereitet und durchgeführt werden sollte. Es ist nämlich besonders wichtig, dass Klassensprecher:innen die Unterstützung von ihren Klassen und Klassenlehrer:innen erfahren. Zuerst widmen wir uns der Klasse: Wie gelingt es, dass Klassensprecher:innen gewählt werden, die möglichst viel Rückhalt von ihrer Klasse erhalten? Erstens ist es wichtig, dass bekannt ist und diskutiert wird, welche Aufgaben, Klassensprecher:innen haben oder auch nicht erfüllen müssen:

Was sind die Aufgaben von Klassensprecher:innen?

Klassensprecher:innen

  • vertreten die Interessen aller einer Klasse
  • geben Ideen und Wünsche einzelner Schüler:innen oder der ganzen Klasse an Lehrkräfte, Schulleitungen oder Elternvertretungen weiter
  • tragen Beschwerden und Kritik den Lehrkräften oder der Schulleitung vor
  • unterstützen einzelne Schüler:innen in der Wahrnehmung ihrer Rechte
  • können bei Schwierigkeiten zwischen Klasse und Lehrkräften vermitteln
  • berufen die Klassenschüler:innenversammlung ein und leiten sie
  • nehmen an den Sitzungen des Schüler:innenrates teil und informieren die Klasse darüber
  • wirken bei Aufgaben mit, die der Schüler:innenrat sich selber stellt
  • können zu geeigneten Punkten zu Klassenpflegschaftssitzungen eingeladen werden

Aus diesen Aufgaben lassen sich die meisten ihre Rechte ableiten: Das Informationsrecht, das Teilnahmerecht an Konferenzen, das Vertretungs- und Vermittlungsrecht, das Beschwerderecht und das Anhörungs- und Vorschlagsrecht.

Was keine Aufgaben von Klassensprecher:innen sind:

  • der verlängerte Arm der Klassenlehrer:innen zu sein
  • Aufpasser:in in der Pause zu sein
  • jeden Streit zu schlichten

Dass das Thema Eignung für ein solches Amt sehr komplex und schwierig ist, darauf wurde bereits hingewiesen. Es erfordert Zeit und eine vertiefte Auseinandersetzung, die man Klassen dafür einräumen sollte. Folgende Auflistung kann dazu als Grundlage und Orientierung dienen:

Was ist hilfreich für Klassensprecher:innen?

  • bereit sein, sich für die Klasse und im Schüler:innenrat zu engagieren
  • neugierig sein und dazulernen wollen
  • frei sprechen und gut argumentieren können
  • Probleme erkennen und formulieren können
  • Kontakt zu möglichst vielen Mitschüler:innen haben
  • Rechte und Pflichte der Schüler:innen kennen
  • bei Problemen und Entscheidungen kompromissbereit sein
  • Mut haben und Neues wagen oder Standpunkte verteidigen

Diese Punkte können mit Klassen diskutiert und von ihnen korrigiert oder ergänzt werden. Was sich in der Praxis auch oft bewährt hat, ist die Arbeit der Klassensprecher:innen aus dem letzten Schuljahr gemeinsam zu reflektieren. (Hierfür ist ein vertrauensvolles Klima nötig.) Besonders junge Menschen und Konstellation in Klassen befinden sich in einem ständigen Wandel. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Personen die Gelegenheit erhalten, sich in einer anderen Rolle zu erleben, Verantwortung zu übernehmen und herauszufinden und zu zeigen, was in ihnen steckt. 

Das Maß an Rückhalt, die Klassensprecher:innen von ihren Klassen erfahren, hängt u.a. stark davon ab, wie (gut vorbereitet, möglichst gerecht…) eine Wahl abläuft, welche Rechte sie tatsächlich erhalten, eine Schule mitgestalten zu dürfen bzw. wie ernst die Aufgaben, die das Amt mit sich bringt, genommen werden können. Womit wir wieder bei den Personen wären, die in der Hierarchiestruktur von Schulen weiter oben stehen, was auch zur zweiten, noch offene Frage überleitet: Wie gelingt es, dass die Gewählten auch möglichst viel Rückhalt von ihren Klassenlehrer:innen erhalten? 

An dieser Stelle ist die Rolle von Schulleitungen sicher kein unwichtiger Faktor. Ob und wie viel Zeit sie Klassenlehrer:innen einräumen, sich in dem Bereich fortzubilden, sich in Gesamtlehrerkonferenzen dazu auszutauschen und im Unterricht darauf einzugehen, bestimmt ebenfalls den Wert der Demokratiebildung an Schulen. Unabhängig davon haben trotzdem alle Lehrkräfte einen Spielraum, in dem sie entscheiden können, wie viel Zeit und Kraft sie in die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Wahl investieren möchten, aber auch in die Pflege und Wertschätzung dieses Amtes im Laufe eines Schuljahres, als Klassenlehrer:innen oder in ihrem Fachunterricht.

Undemokratische Wahlen

Am Ende dieses Beitrags möchte ich zumindest noch kurz anreißen, dass selbst die beste Vorbereitung und Durchführung einer solchen Wahl als undemokratisch gesehen und verstanden werden kann, weil die Praxis einen vor diverse Herausforderungen stellt, die eine Wahl ungenügend beantworten kann. Da Schulen z.B. auch gesellschaftliche Strukturen und ihre Probleme abbilden, stellt sich die Frage, wie damit innerhalb einer Klasse umgegangen wird, wie diese berücksichtigt werden können und müssen. Natürlich finden auch in Schulen Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus und andere Diskriminierungsformen statt. Wie wirken sich diese auf Wahlen aus?

Deshalb verdient neben der elementaren Fragestellung, wer und wie am besten die Interessen aller vertreten kann, auch die Frage, wie man zu solchen Personen kommen kann und welche Lösungen, außer Wahlen, es gibt, deutlich mehr Beachtung. Was bedeutet Demokratie und was ist demokratisch? Allein die Antworten auf diese Frage führen innerhalb von Klassen, Kollegien und Schulen zu sehr kontroversen Auseinandersetzungen. Und genau die braucht es (immer wieder), um einen Konsens auszuhandeln und nicht gegeneinander zu arbeiten. 

Weil die Wahlen der Schüler:innenvertretung gesetzlich verankert sind, sehe ich aktuell wenig Experimentierraum in diesem verbindlichen Rahmen. Trotzdem braucht eine zeitgemäße Demokratiebildung auch Freiräume, um neue Modelle zu entwickeln und zu erproben. Welche erfolgreichen Ansätze es bereits gibt, guten Gründe vorliegen, davon zu lernen und sie zu übernehmen, stelle ich in einem der nächsten Beiträge vor.

 

Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.58.53Im Schuljahr 2016/17 wird es in Deutschland vier aula-Pilotschulen geben. Ich arbeite an einer davon und werde meine Erwartungen, Erfahrungen und Rückschlüsse hier dokumentieren. Aula ist ein Beteiligungskonzept (ausdiskutieren und live abstimmen) von politik-digital e.V. unter der Leitung von Marina Weisband und mit der Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung, das Schüler*innen einfach und direkt ermöglicht, an der Schule mitzubestimmen. Zu Beginn wird dafür in einem Vertrag, der von Vertreter*innen aller Beteiligten einer Schule erarbeitet und unterzeichnet wird, festgelegt, in welchem rechtlichen Rahmen Entscheidungen getroffen werden können. Aula besteht aus zwei Säulen: Der wöchentlichen Unterrichtsstunde, in der aula stattfinden und der Software, die einen Austausch aller am Schulleben Mitwirkenden gewährleistet soll. Normalerweise haben Schüler*innen die Möglichkeit sich über die SMV (Schülermitverantwortung nennt es sich in Baden-Württemberg und meint damit alle Schüler*innen, die ihre Schule aktiv mitgestalten. In der Regel sind das Klassensprecher- oder Schülersprecher*innen. In anderen Bundesländern läuft das unter dem Kürzel SV = Schülervertretung.) einzubringen. Ihre Ideen, Anregungen oder Wünsche müssen dabei einen weiten Weg bestreiten, bis sie letztendlich alle Parteien einer Schule, wenn überhaupt, erreichen. Ich habe diesen Weg im Optimalfall hier grafisch zusammengefasst.Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.44.23

Folgende Aspekte müssen noch zusätzlich bedacht werden, die eine der klassischen und großen Baustellen der alltäglichen SMV-Arbeit an jeder Schule darstellen:

a.) Zeit. Jeder Schritt, von der Äußerung der Idee in einer Klassenratstunde bis hin zur Verkündung in einer Gesamtlehrerkonferenz oder Schulkonferenz, benötigt Zeit. Die Schulkonferenz (besteht in Baden-Württemberg aus der jeweils gleichen Anzahl von Vertreter*innen des Lehrpersonals, der Schülerschaft und der Eltern) trifft sich zum Beispiel nur ein Mal pro Schulhalbjahr.

b.) Durchlässigkeit. Was von der ursprünglich formulierten Idee am Ende bei allen Beteiligten ankommt, hängt jeweils von den rhetorischen Fähigkeiten, der Zuverlässigkeit und dem Willen der Informationsvermittler*innen ab. Außerdem spielt der dafür von Lehrer*innen zur Verfügung gestellte Rahmen ebenfalls eine große Rolle: Schafft man im Klassenraum die nötige Atmosphäre, um die Idee ordentlich vorzustellen und zu diskutieren oder darf man eine Minute vor Unterrichtsende, während alle zusammenpacken, diese in die Klasse werfen. Wobei das eigentlich einen eigenen Unterpunkt darstellt, auf den ich später nochmal kurz eingehen möchte: Bereitschaft. Echte Beteiligung gelingt nur dann, wenn alle sie erreichen und umsetzen wollen.

c.) Transparenz. Weder der Weg, den Ideen beschreiten, noch die Resonanz sind für alle Beteiligten einsehbar. Es können so z.B. den Ideengeber*innen keinen Verständnisfragen direkt gestellt werden. Ob eine Idee aufgegriffen und unterstützt wird, hängt somit von zahlreichen Hindernissen ab, die man zwar mit viel Engagement und Willen minimieren kann, die am Ergebnis aber nichts ändern: Über den Erfolg einer Idee entscheidet zu häufig der Zufall.

Was kann ein Beteiligungskonzept wie aula daran ändern?

Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.45.18Viel, wenn es nach meinen Erwartungen geht. Wie der Informationsfluss mit aula aussehen wird, habe ich hier ebenfalls grafisch zusammengefasst. Es wird nun deutlich, dass alle jederzeit sehen können, wer, wann, was gepostet hat. Die oben genannten Hindernisse könnten so schlagartig um einen wesentlichen Teil reduziert oder sogar gänzlich aufgelöst werden. Um das Wie besser zu verstehen, erkläre ich kurz die oben genannten zwei Säulen dieses Beteiligungskonzepts:

 

A.) Software 

Die aula-Software stellt ein schulinternes soziales Netzwerk dar. Alle Schüler-/Lehrer*innen und Eltern erhalten dafür über einen eigenen Account Zugang; wobei Eltern lediglich eine passive Zuschauerrolle haben, um stets informiert zu sein. Nun kann jede/r Schüler*in ihre/n Idee, Anregung oder Wunsch (in unterschiedlichen Kategorien) posten. Bei Facebook muss man sich vor dem Posting zwischen Öffentlich, Freunde, Nur ich oder Benutzerdefiniert entscheiden. Bei aula beschränkt sich das auf Schule und Klasse. Man muss sich also vorher überlegen, ob das Anliegen nur die Klasse oder die gesamte Schule betrifft und dann den jeweiligen Raum zum Posten wählen.image3-1

Wenn man die Frage der Öffentlichkeit geklärt hat, kann es dann losgehen. So sieht die aktuelle Maske dafür aus, an der sich vermutlich auch nicht mehr viel verändern wird.image4

Wenn eine Idee ausreichend Zustimmung durch Klicks erfährt, kann sie von allen weiterentwickelt und umgesetzt werden. Dabei gibt es drei Hürden, die es zu überwinden gilt. Das erste Hindernis stellt der vorher festgelegte prozentuale Anteil an Zuspruch der jeweiligen Gruppe (Klasse oder ganze Schule) dar. Solange bleibt es nur eine wilde Idee (siehe Bild oben). Zum Beispiel kann man sich darauf einigen, dass erst bei 20% Zustimmung eine Idee aufgenommen und weiterentwickelt werden kann. Durch dieses Quorum kann sich Qualität von Quantität absetzen. Das zweite Hindernis besteht aus der Prüfung der Schulleitung, ob der im aula-Vertrag vereinbarte rechtliche Rahmen eingehalten wird. Das letzte Hindernis ist eine endgültige Abstimmung aller Betroffenen (Klasse oder Schule) über die überarbeitete Fassung der Idee auf dem Tisch (siehe Bild oben). Den genauen Weg, den eine Idee bis zur Umsetzung zurücklegen muss, werde ich im Laufe des Schuljahres an einem konkreten Beispiel ausführlicher beschreiben. Das Prinzip müsste aber hiermit klar: Alle können jederzeit sehen, welche Ideen aktuell bezüglich ihrer Klasse oder der gesamten Schule im Raum stehen, die sie unterstützen oder weiterentwickeln können. Um auf die oben genannten analogen Hürden wieder zurückzukommen: Man erreicht durch die “digitalen Möglichkeiten” von aula maximale Transparenz und Durchlässigkeit in Echtzeit.

B.) aula-Stunde

Einmal pro Woche bekommt jede Klasse eine Schulstunde Zeit, um sich über neue oder bestehende Ideen auszutauschen. Das kann je nach Situation und Thema im PC-Raum, im Klassenzimmer, mit Smartphones oder komplett ohne Technik geschehen. (Meiner Meinung nach sollte diese Stunde aber mit den Klassenlehrer*innen gestaltet werden, um z.B. positive gruppendynamische Prozesse besser zu fördern bzw. negativen entgegenzuwirken.)

Was ich mir noch von aula erhoffe?

Oben habe ich bereits den Aspekt der Bereitschaft erwähnt, der die Grundvoraussetzung echter Beteiligungsprozesse darstellt. Ich erhoffe mir von allen Beteiligten, die bisher weniger aktiv am Schulleben mitgewirkt oder diese Prozesse unterstützt haben, dass sie durch positive und erfolgreiche Beispiele inspiriert werden umzudenken; was erst durch die neu gewonnene Transparenz ermöglicht wird. Dass möglichst alle Beteiligten erleben, wie hilfreich es für alle ist, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht. Es wird definitiv auf allen Ebenen mehr kommuniziert werden. Bestenfalls schaffen wir es dabei eine Kommunikationskultur der Anerkennung und konstruktiven Kritik zu entwickeln, die (uns) alle prägt und vielleicht auch den Weg in die breite Gesellschaft findet. Dabei wird nicht die Software entscheidend sein, sondern die Intention und Haltung derer, die diese einsetzen. Ich wünsche mir/euch/allen, dass meine Hoffnungen erfüllt werden und blicke gespannt dem neuen Schuljahr entgegen.

PS: Am 06. September haben Markus Neuschäfer und ich im Paul-Löbe-Haus auf der Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion Bildung in einer digitalisierten Welt einen Workshop zum Thema Partizipation in der Schule mit digital gestützten Methoden und OER gegeben. Dort habe ich das aula-Projekt vorgestellt und beworben. Markus hat hier darüber gebloggt und seine Slides veröffentlicht. Meine Folien sind hier abrufbar. Sofatutor hat mich nach dem Workshop auf das Projekt aula angesprochen und hier interviewt.