aula – ausdiskutieren und live abstimmen

 

Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.58.53Im Schuljahr 2016/17 wird es in Deutschland vier aula-Pilotschulen geben. Ich arbeite an einer davon und werde meine Erwartungen, Erfahrungen und Rückschlüsse hier dokumentieren. Aula ist ein Beteiligungskonzept (ausdiskutieren und live abstimmen) von politik-digital e.V. unter der Leitung von Marina Weisband und mit der Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung, das Schüler*innen einfach und direkt ermöglicht, an der Schule mitzubestimmen. Zu Beginn wird dafür in einem Vertrag, der von Vertreter*innen aller Beteiligten einer Schule erarbeitet und unterzeichnet wird, festgelegt, in welchem rechtlichen Rahmen Entscheidungen getroffen werden können. Aula besteht aus zwei Säulen: Der wöchentlichen Unterrichtsstunde, in der aula stattfinden und der Software, die einen Austausch aller am Schulleben Mitwirkenden gewährleistet soll. Normalerweise haben Schüler*innen die Möglichkeit sich über die SMV (Schülermitverantwortung nennt es sich in Baden-Württemberg und meint damit alle Schüler*innen, die ihre Schule aktiv mitgestalten. In der Regel sind das Klassensprecher- oder Schülersprecher*innen. In anderen Bundesländern läuft das unter dem Kürzel SV = Schülervertretung.) einzubringen. Ihre Ideen, Anregungen oder Wünsche müssen dabei einen weiten Weg bestreiten, bis sie letztendlich alle Parteien einer Schule, wenn überhaupt, erreichen. Ich habe diesen Weg im Optimalfall hier grafisch zusammengefasst.Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.44.23

Folgende Aspekte müssen noch zusätzlich bedacht werden, die eine der klassischen und großen Baustellen der alltäglichen SMV-Arbeit an jeder Schule darstellen:

a.) Zeit. Jeder Schritt, von der Äußerung der Idee in einer Klassenratstunde bis hin zur Verkündung in einer Gesamtlehrerkonferenz oder Schulkonferenz, benötigt Zeit. Die Schulkonferenz (besteht in Baden-Württemberg aus der jeweils gleichen Anzahl von Vertreter*innen des Lehrpersonals, der Schülerschaft und der Eltern) trifft sich zum Beispiel nur ein Mal pro Schulhalbjahr.

b.) Durchlässigkeit. Was von der ursprünglich formulierten Idee am Ende bei allen Beteiligten ankommt, hängt jeweils von den rhetorischen Fähigkeiten, der Zuverlässigkeit und dem Willen der Informationsvermittler*innen ab. Außerdem spielt der dafür von Lehrer*innen zur Verfügung gestellte Rahmen ebenfalls eine große Rolle: Schafft man im Klassenraum die nötige Atmosphäre, um die Idee ordentlich vorzustellen und zu diskutieren oder darf man eine Minute vor Unterrichtsende, während alle zusammenpacken, diese in die Klasse werfen. Wobei das eigentlich einen eigenen Unterpunkt darstellt, auf den ich später nochmal kurz eingehen möchte: Bereitschaft. Echte Beteiligung gelingt nur dann, wenn alle sie erreichen und umsetzen wollen.

c.) Transparenz. Weder der Weg, den Ideen beschreiten, noch die Resonanz sind für alle Beteiligten einsehbar. Es können so z.B. den Ideengeber*innen keinen Verständnisfragen direkt gestellt werden. Ob eine Idee aufgegriffen und unterstützt wird, hängt somit von zahlreichen Hindernissen ab, die man zwar mit viel Engagement und Willen minimieren kann, die am Ergebnis aber nichts ändern: Über den Erfolg einer Idee entscheidet zu häufig der Zufall.

Was kann ein Beteiligungskonzept wie aula daran ändern?

Bildschirmfoto 2016-08-11 um 15.45.18Viel, wenn es nach meinen Erwartungen geht. Wie der Informationsfluss mit aula aussehen wird, habe ich hier ebenfalls grafisch zusammengefasst. Es wird nun deutlich, dass alle jederzeit sehen können, wer, wann, was gepostet hat. Die oben genannten Hindernisse könnten so schlagartig um einen wesentlichen Teil reduziert oder sogar gänzlich aufgelöst werden. Um das Wie besser zu verstehen, erkläre ich kurz die oben genannten zwei Säulen dieses Beteiligungskonzepts:

 

A.) Software 

Die aula-Software stellt ein schulinternes soziales Netzwerk dar. Alle Schüler-/Lehrer*innen und Eltern erhalten dafür über einen eigenen Account Zugang; wobei Eltern lediglich eine passive Zuschauerrolle haben, um stets informiert zu sein. Nun kann jede/r Schüler*in ihre/n Idee, Anregung oder Wunsch (in unterschiedlichen Kategorien) posten. Bei Facebook muss man sich vor dem Posting zwischen Öffentlich, Freunde, Nur ich oder Benutzerdefiniert entscheiden. Bei aula beschränkt sich das auf Schule und Klasse. Man muss sich also vorher überlegen, ob das Anliegen nur die Klasse oder die gesamte Schule betrifft und dann den jeweiligen Raum zum Posten wählen.image3-1

Wenn man die Frage der Öffentlichkeit geklärt hat, kann es dann losgehen. So sieht die aktuelle Maske dafür aus, an der sich vermutlich auch nicht mehr viel verändern wird.image4

Wenn eine Idee ausreichend Zustimmung durch Klicks erfährt, kann sie von allen weiterentwickelt und umgesetzt werden. Dabei gibt es drei Hürden, die es zu überwinden gilt. Das erste Hindernis stellt der vorher festgelegte prozentuale Anteil an Zuspruch der jeweiligen Gruppe (Klasse oder ganze Schule) dar. Solange bleibt es nur eine wilde Idee (siehe Bild oben). Zum Beispiel kann man sich darauf einigen, dass erst bei 20% Zustimmung eine Idee aufgenommen und weiterentwickelt werden kann. Durch dieses Quorum kann sich Qualität von Quantität absetzen. Das zweite Hindernis besteht aus der Prüfung der Schulleitung, ob der im aula-Vertrag vereinbarte rechtliche Rahmen eingehalten wird. Das letzte Hindernis ist eine endgültige Abstimmung aller Betroffenen (Klasse oder Schule) über die überarbeitete Fassung der Idee auf dem Tisch (siehe Bild oben). Den genauen Weg, den eine Idee bis zur Umsetzung zurücklegen muss, werde ich im Laufe des Schuljahres an einem konkreten Beispiel ausführlicher beschreiben. Das Prinzip müsste aber hiermit klar: Alle können jederzeit sehen, welche Ideen aktuell bezüglich ihrer Klasse oder der gesamten Schule im Raum stehen, die sie unterstützen oder weiterentwickeln können. Um auf die oben genannten analogen Hürden wieder zurückzukommen: Man erreicht durch die “digitalen Möglichkeiten” von aula maximale Transparenz und Durchlässigkeit in Echtzeit.

B.) aula-Stunde

Einmal pro Woche bekommt jede Klasse eine Schulstunde Zeit, um sich über neue oder bestehende Ideen auszutauschen. Das kann je nach Situation und Thema im PC-Raum, im Klassenzimmer, mit Smartphones oder komplett ohne Technik geschehen. (Meiner Meinung nach sollte diese Stunde aber mit den Klassenlehrer*innen gestaltet werden, um z.B. positive gruppendynamische Prozesse besser zu fördern bzw. negativen entgegenzuwirken.)

Was ich mir noch von aula erhoffe?

Oben habe ich bereits den Aspekt der Bereitschaft erwähnt, der die Grundvoraussetzung echter Beteiligungsprozesse darstellt. Ich erhoffe mir von allen Beteiligten, die bisher weniger aktiv am Schulleben mitgewirkt oder diese Prozesse unterstützt haben, dass sie durch positive und erfolgreiche Beispiele inspiriert werden umzudenken; was erst durch die neu gewonnene Transparenz ermöglicht wird. Dass möglichst alle Beteiligten erleben, wie hilfreich es für alle ist, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht. Es wird definitiv auf allen Ebenen mehr kommuniziert werden. Bestenfalls schaffen wir es dabei eine Kommunikationskultur der Anerkennung und konstruktiven Kritik zu entwickeln, die (uns) alle prägt und vielleicht auch den Weg in die breite Gesellschaft findet. Dabei wird nicht die Software entscheidend sein, sondern die Intention und Haltung derer, die diese einsetzen. Ich wünsche mir/euch/allen, dass meine Hoffnungen erfüllt werden und blicke gespannt dem neuen Schuljahr entgegen.

PS: Am 06. September haben Markus Neuschäfer und ich im Paul-Löbe-Haus auf der Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion Bildung in einer digitalisierten Welt einen Workshop zum Thema Partizipation in der Schule mit digital gestützten Methoden und OER gegeben. Dort habe ich das aula-Projekt vorgestellt und beworben. Markus hat hier darüber gebloggt und seine Slides veröffentlicht. Meine Folien sind hier abrufbar. Sofatutor hat mich nach dem Workshop auf das Projekt aula angesprochen und hier interviewt.

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