Die Klassensprecher:innen gleich am ersten Schultag zu wählen, ohne sich ernsthaft mit den Aufgaben, Wahlen und Folgen auseinanderzusetzen, ist zwar populär, verdeutlicht aber auch den Stellenwert, den demokratische Strukturen und Prozesse im Schulalltag bzw. an Schulen erhalten.
Nachdem ich vor ein paar Tagen diesen Gedanken zu einer weit verbreiteten Praxis in Social Media veröffentlichte, erhielt ich eine (bei diesem Thema unüblich) große Resonanz (vor allem bei Twitter) und einen Hinweis, dass hierzu ein Handout hilfreich wäre. Deshalb gehe ich in diesem Beitrag auf wesentliche Aspekte und Perspektiven zum Thema Wahl der Klassensprecher:innen etwas näher ein und biete zusätzlich unterstützende Informationen und Ideen an, mit der Hoffnung, dass an mancher Stelle bisherige Zustände und Abläufe kritisch reflektiert, diskutiert und falls nötig korrigiert werden.
Qualen der Wahl
Erfahrungsgemäß gibt es bei Wahlen von Klassensprecher:innen (teilweise stark vereinfacht und überspitzt) zwei sehr beliebte Vorgehensweisen, die auch kombiniert stattfinden können:
Die schnelle Lösung
Am ersten Schultag, zwischen dem Abschreiben des Stundenplans und dem Diktieren der Materialliste, werden Klassensprecher:innen gewählt, um zügig die Pflicht einer To-do-Liste abzuhaken. Die Wahl rangiert damit auf der gleichen Bedeutungsebene wie einen roten Umschlag für das Matheheft zu kaufen.
Die Demokratur
Es werden geeignete Kandidat:innen diktiert bzw. besonders hervorgehoben oder empfohlen, die im Anschluss demokratisch gewählt werden dürfen. Nicht selten wird sich dabei am Notenschnitt der Schüler:innen orientiert, die sich aus der Perspektive der Lehrkräfte meist auch vorbildlich verhalten.
Beides beinhaltet aus demokratischer Perspektive eine kritisch zu betrachtende Praxis, die mit einer bestimmten Haltung und Vorstellung vom zu wählenden Amt, der Wahl und auch Demokratiebildung zusammenhängt. Der erste Punkt bezieht sich auf die mangelnde Zeit. Zeit ist auch die Währung in Schulen, aus der sich Werte ableiten lassen, die Dingen zugesprochen werden. Wofür viel oder wenig Zeit zur Verfügung steht bzw. zur Verfügung gestellt wird, verdeutlicht und macht transparent, welche Schulkultur vorliegt und Ziele angestrebt werden.
Da Schulen ohnehin hierarchisch strukturiert sind, hängen die Möglichkeiten und Räume der Schüler:innenbeteiligung und -mitbestimmung vom Wohlwollen der Schulleitung und Lehrkräfte ab. Wenn wenig Zeit in die Auseinandersetzung mit den Ämtern und der Wahl von Schüler:innenvertretungen investiert wird, kommt diese Botschaft bei jungen Menschen bewusst und unbewusst an. Sie prägt ihr Verständnis der Schulkultur und ihrer Rolle darin. Solche geringschätzenden Erfahrungen erschweren es auch allen zukünftigen Bemühungen an Schulen, junge Menschen zur Beteiligung zu aktivieren und zu befähigen. Die Bedeutung der Demokratiebildung droht auf diese Weise, die Existenz auf einer To-do-Liste kaum zu übersteigen.
Der zweite Aspekt, der “geeigneten“ Kandidat:innen, greift ein populäres Missverständnis auf, dass Lehrkräfte wüssten, welche Personen weshalb für so ein Amt geeignet seien. Dabei werden z.B. Schüler:innen mit guten Noten oft auch gutes Verhalten zugeordnet (Halo-Effekt) und zusätzlich angenommen, dass solche Leistungen und so ein Verhalten auch zu einem guten Ergebnis für demokratische Prozesse in einer Klasse oder Schule führen würden. Dabei gibt es z.B. in der Psychologie ausreichend Hinweise (Kahneman – Thinking, Fast and Slow), wie schwierig und komplex es ist, zukünftiges Verhalten von Personen innerhalb von Gruppen vorherzusehen und wie sehr und gerne Menschen sich bei dieser vermeintlichen Fähigkeit überschätzen.
(Im meiner knapp 20-jährigen Arbeit mit jungen Menschen im SMV-Bereich war ich lange Zeit sehr überzeugt davon, zu wissen, was gute und geeignete Kandidat:innen ausmacht. Erst nach einigen Jahren hatte die Wahl eines Kandidaten, den ich für völlig ungeeignet hielt und der später das Gegenteil bewies, bei mir zum Umdenken und zur Erkenntnis geführt, wie wenig aussagekräftig meine Erfahrung und scheinbar zuverlässige Eigenschaften in diesem Punkt sein können. Zu viele Kompetenzen und Eigenschaften junger Menschen sind und bleiben, vor allem Lehrkräften, unbekannt.)
Beim einleitenden Beispiel habe ich auf die Perspektive der Lehrkräfte verwiesen, weil sie auch bei der Kommunikation, was als geeignet gilt oder nicht, bedeutend sein kann. Dass Kritik und Widerspruch Elemente demokratischer Prozesse darstellen, wird niemand in Frage stellen. Wie diese aber von jungen Menschen geäußert in Schulen aufgenommen werden, lässt an nicht wenigen Stellen starken Zweifel aufkommen, dass sie gewünscht sind und die Wahrscheinlichkeit senken, dass so ein Verhalten (auch im Kontext von Ämtern der Schüler:innenvertretung und Wahlen) als vorbildlich bezeichnet wird.
Wie wird es richtig gemacht?
Eine einfache Frage, die schwierig zu beantworten ist, weil sie differenziert betrachtet werden muss. Zumindest die juristische Perspektive ist hierzu eindeutig und klar. Ihre Antwort in Baden-Württemberg lautet wie folgt:
Klassen- und Kurssprecher: innen und deren Stellvertreter:innen werden von Klasse 5 an gewählt.
Die Wahl aller Klassensprecher:innen und ihrer Stellvertreter:innen soll spätestens bis zum Ablauf der dritten Unterrichtswoche im Schuljahr stattfinden, bei Teilzeitunterricht in Blöcken bis zum Ablauf der zweiten Unterrichtswoche des ersten Unterrichtsblocks im Schuljahr.
Man hat somit drei Wochen Zeit die Klassensprecher:innen zu wählen. Ein Zeitraum, der ausreichend Möglichkeiten bietet, das Thema ausführlich anzugehen. (Diese drei Wochen stellen übrigens gleichzeitig eine Frist dar, die erfahrungsgemäß an einigen Schulen unbekannt ist und manchmal weit überschritten wird.)
Eine weitere möglichen Perspektive auf die Frage, wie es richtig gemacht wird, ist, wie eine solche Wahl aus demokratiepädagogischer Sicht vorbereitet und durchgeführt werden sollte. Es ist nämlich besonders wichtig, dass Klassensprecher:innen die Unterstützung von ihren Klassen und Klassenlehrer:innen erfahren. Zuerst widmen wir uns der Klasse: Wie gelingt es, dass Klassensprecher:innen gewählt werden, die möglichst viel Rückhalt von ihrer Klasse erhalten? Erstens ist es wichtig, dass bekannt ist und diskutiert wird, welche Aufgaben, Klassensprecher:innen haben oder auch nicht erfüllen müssen:
Was sind die Aufgaben von Klassensprecher:innen?
Klassensprecher:innen
vertreten die Interessen aller einer Klasse
geben Ideen und Wünsche einzelner Schüler:innen oder der ganzen Klasse an Lehrkräfte, Schulleitungen oder Elternvertretungen weiter
tragen Beschwerden und Kritik den Lehrkräften oder der Schulleitung vor
unterstützen einzelne Schüler:innen in der Wahrnehmung ihrer Rechte
können bei Schwierigkeiten zwischen Klasse und Lehrkräften vermitteln
berufen die Klassenschüler:innenversammlung ein und leiten sie
nehmen an den Sitzungen des Schüler:innenrates teil und informieren die Klasse darüber
wirken bei Aufgaben mit, die der Schüler:innenrat sich selber stellt
können zu geeigneten Punkten zu Klassenpflegschaftssitzungen eingeladen werden
Aus diesen Aufgaben lassen sich die meisten ihre Rechte ableiten: Das Informationsrecht, das Teilnahmerecht an Konferenzen, das Vertretungs- und Vermittlungsrecht, das Beschwerderecht und das Anhörungs- und Vorschlagsrecht.
Was keine Aufgaben von Klassensprecher:innen sind:
der verlängerte Arm der Klassenlehrer:innen zu sein
Aufpasser:in in der Pause zu sein
jeden Streit zu schlichten
Dass das Thema Eignung für ein solches Amt sehr komplex und schwierig ist, darauf wurde bereits hingewiesen. Es erfordert Zeit und eine vertiefte Auseinandersetzung, die man Klassen dafür einräumen sollte. Folgende Auflistung kann dazu als Grundlage und Orientierung dienen:
Was ist hilfreich für Klassensprecher:innen?
bereit sein, sich für die Klasse und im Schüler:innenrat zu engagieren
neugierig sein und dazulernen wollen
frei sprechen und gut argumentieren können
Probleme erkennen und formulieren können
Kontakt zu möglichst vielen Mitschüler:innen haben
Rechte und Pflichte der Schüler:innen kennen
bei Problemen und Entscheidungen kompromissbereit sein
Mut haben und Neues wagen oder Standpunkte verteidigen
Diese Punkte können mit Klassen diskutiert und von ihnen korrigiert oder ergänzt werden. Was sich in der Praxis auch oft bewährt hat, ist die Arbeit der Klassensprecher:innen aus dem letzten Schuljahr gemeinsam zu reflektieren. (Hierfür ist ein vertrauensvolles Klima nötig.) Besonders junge Menschen und Konstellation in Klassen befinden sich in einem ständigen Wandel. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Personen die Gelegenheit erhalten, sich in einer anderen Rolle zu erleben, Verantwortung zu übernehmen und herauszufinden und zu zeigen, was in ihnen steckt.
Das Maß an Rückhalt, die Klassensprecher:innen von ihren Klassen erfahren, hängt u.a. stark davon ab, wie (gut vorbereitet, möglichst gerecht…) eine Wahl abläuft, welche Rechte sie tatsächlich erhalten, eine Schule mitgestalten zu dürfen bzw. wie ernst die Aufgaben, die das Amt mit sich bringt, genommen werden können. Womit wir wieder bei den Personen wären, die in der Hierarchiestruktur von Schulen weiter oben stehen, was auch zur zweiten, noch offene Frage überleitet: Wie gelingt es, dass die Gewählten auch möglichst viel Rückhalt von ihren Klassenlehrer:innen erhalten?
An dieser Stelle ist die Rolle von Schulleitungen sicher kein unwichtiger Faktor. Ob und wie viel Zeit sie Klassenlehrer:innen einräumen, sich in dem Bereich fortzubilden, sich in Gesamtlehrerkonferenzen dazu auszutauschen und im Unterricht darauf einzugehen, bestimmt ebenfalls den Wert der Demokratiebildung an Schulen. Unabhängig davon haben trotzdem alle Lehrkräfte einen Spielraum, in dem sie entscheiden können, wie viel Zeit und Kraft sie in die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Wahl investieren möchten, aber auch in die Pflege und Wertschätzung dieses Amtes im Laufe eines Schuljahres, als Klassenlehrer:innen oder in ihrem Fachunterricht.
Undemokratische Wahlen
Am Ende dieses Beitrags möchte ich zumindest noch kurz anreißen, dass selbst die beste Vorbereitung und Durchführung einer solchen Wahl als undemokratisch gesehen und verstanden werden kann, weil die Praxis einen vor diverse Herausforderungen stellt, die eine Wahl ungenügend beantworten kann. Da Schulen z.B. auch gesellschaftliche Strukturen und ihre Probleme abbilden, stellt sich die Frage, wie damit innerhalb einer Klasse umgegangen wird, wie diese berücksichtigt werden können und müssen. Natürlich finden auch in Schulen Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus und andere Diskriminierungsformen statt. Wie wirken sich diese auf Wahlen aus?
Deshalb verdient neben der elementaren Fragestellung, wer und wie am besten die Interessen aller vertreten kann, auch die Frage, wie man zu solchen Personen kommen kann und welche Lösungen, außer Wahlen, es gibt, deutlich mehr Beachtung. Was bedeutet Demokratie und was ist demokratisch? Allein die Antworten auf diese Frage führen innerhalb von Klassen, Kollegien und Schulen zu sehr kontroversen Auseinandersetzungen. Und genau die braucht es (immer wieder), um einen Konsens auszuhandeln und nicht gegeneinander zu arbeiten.
Weil die Wahlen der Schüler:innenvertretung gesetzlich verankert sind, sehe ich aktuell wenig Experimentierraum in diesem verbindlichen Rahmen. Trotzdem braucht eine zeitgemäße Demokratiebildung auch Freiräume, um neue Modelle zu entwickeln und zu erproben. Welche erfolgreichen Ansätze es bereits gibt, guten Gründe vorliegen, davon zu lernen und sie zu übernehmen, stelle ich in einem der nächsten Beiträge vor.
Beiträge, die ich für Online-Portale verfasse, veröffentliche ich später auf diesem Blog, um meine Texte auf einer Website gebündelt zu haben. Dieser erschien im Online-Dossier des Deutschen Kinderhilfswerks.
Voraussetzungen
Um ein Verständnis dafür entwickeln zu können, was Teilhabe an Schulen in einer Kultur der Digitalität bedeuten und wie sie gelingen kann, empfiehlt es sich, die Voraussetzungen der Partizipation im Bildungssystem vorab, grundsätzlich und ehrlich zu betrachten, damit Ressourcen gezielt investiert und adäquate Erwartungen erzeugt werden. Auch wenn Schulen als Orte verstanden werden müssen und möchten, an denen demokratische Prozesse gelernt und erfahren werden sollen, liegen an sich hierarchische Strukturen vor, in denen Schüler:innen die geringste Macht besitzen und Erwachsene die Lern- und Schulkultur bestimmen.
Deshalb hängt es vom Willen und der Bereitschaft von Personen in den Bildungsministerien bis hin zur Lehrkraft im Klassenzimmer ab, ob und wie viel Partizipation an Schulen stattfinden und erreicht werden kann. Sie bestimmen, inwieweit für Beteiligung ein Nährboden geschaffen und Räume geöffnet werden. Wer eine wirksame und nachhaltige Teilhabe junger Menschen erreichen möchte, benötigt einen möglichst breiten Konsens aller am Schulleben beteiligten Erwachsenen darüber, günstige Voraussetzungen für Partizipation erzeugen zu wollen. Das bedeutet primär, dafür auch Macht und Verantwortung an Schüler:innen zu übergeben.
Partizipation sollte nicht als ergänzendes, mögliches Element von Unterricht (miss)verstanden werden, sondern als Fundament des Lernens. Wer wirksame und nachhaltige Lernprozesse erreichen möchte, orientiert sich an dem Ziel, junge Menschen zu eigenständigem und selbstverwaltendem Lernen zu befähigen. Diese Beteiligung und Gestaltung ihrer Lernprozesse erlaubt ihnen persönlich die kulturelle Teilhabe, ermöglicht es ihnen aber auch zukünftig, ihr Potenzial bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme einzubringen. Es zeigt sich zunehmend, dass die immer höhere Komplexität der gesellschaftlichen Herausforderungen eine Zusammenarbeit aller erfordert. Die Pandemie oder die Klimakrise belegen, dass es nur gemeinsam funktioniert.
Kultur der Digitalität
Der Rahmen und Raum, in dem Teilhabe gelingen muss und kann, hat sich in den letzten Jahrzehnten durch eine Kultur der Digitalität gewandelt. Damit ist die Kultur einer global vernetzten, von Digitalität geprägten Welt gemeint, in der zeit- und ortsunabhängig unzählige Zugänge zu Informationen, Austausch und Zusammenarbeit möglich sind. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen und Optionen, wofür und wie junge Menschen befähigt werden müssen und beteiligt werden können. Das hat Auswirkungen auf alle Handlungsfelder von Schule und Bildung.
Weil gelingende Teilhabe möglichst barrierefreie und niedrigschwellige Zugänge braucht, sollten bei der Wahl digitaler Anwendungen die Kenntnisse und technischen Voraussetzungen der Schüler:innen berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die Rahmenbedingungen, die zu Hause vorliegen. Welche Geräte, Systeme werden genutzt und sind bekannt? Besteht überall und jederzeit ein Zugang zum Internet? Allein diese beiden Fragen zeigen auf, dass viele unterschiedliche Rahmenbedingungen beim Einsatz von digitalen Programmen zur Beteiligung beachtet werden müssen.
Hinzu kommt, dass junge Menschen ein anderes Kommunikationsverhalten pflegen. Sie informieren und tauschen sich viel über soziale Netzwerke aus, nutzen dabei eigene Sprachcodes und Bewertungen von Interaktionen. Sie arbeiten auch weniger mit Browsern und mehr mit fest installierten Apps auf Smartphones. Deshalb bietet es sich an, Lösungen einzusetzen, die auch auf mobilen Endgeräten für Schüler:innen attraktiv funktionieren. Weil sich Hard- und Software ständig weiterentwickeln, richten sich der Fokus und die Empfehlungen im Folgenden eher auf digitale Settings im Allgemeinen, welchen Angebotscharakter sie haben und welche Möglichkeiten sie auf welche Weise schaffen sollten, als auf konkrete Produkte.
Schulische Handlungsfelder für Teilhabe
Mit dem Leitfaden Demokratiebildung wurde in Baden-Württemberg im Juni 2019 eine ganzheitliche Betrachtung veröffentlicht und an alle Schulen als verbindliche Zielformulierung kommuniziert, wie Demokratiebildung stattfinden und erreicht werden soll. Hierbei wurden die Handlungsfelder (1) Fachunterricht, fächerverbindender/-übergreifender Ansatz, (2) Schulkultur und (3) außerschulische Kooperationen benannt. Nicht selten wird Demokratiebildung als „ein Thema“ verstanden und darauf reduziert, es im Politik- oder Gemeinschaftskundeunterricht zu vermitteln. Natürlich stellt Fachwissen eine wichtige Grundlage dar. Teilhabe ist aber ein wesentliches Element der Demokratiebildung oder demokratischen Bildung. Sie muss erfahren und gelebt werden. Deshalb bietet sich eine Orientierung an diesen Handlungsfeldern an.
1. Unterricht
Mit der Jugendstudie Baden-Württemberg erfassen seit 2011 die Jugendstiftung und der Landesschülerbeirat alle zwei bis drei Jahre u.a., wo Schüler:innen Beteiligung in der Schule erfahren. Der Unterricht, der zeitlich den Großteil von Schule umfasst, stellt dabei einen Raum dar, in dem in der Regel am wenigsten Teilhabe ermöglicht wird. Damit wird noch einmal deutlich, dass hier die anfangs benannte Bereitschaft und der Wille von Lehrkräften entscheidend sind, ob und wie Partizipation gelingt.
Dabei bietet der Unterricht fachunabhängig einige Beteiligungsmöglichkeiten. Angefangen bei weniger gewichtigen Themen wie der Sitzordnung, bis hin zur Partizipation bei der Unterrichtsgestaltung oder sogar gemeinsamen Aushandlung, wann und wie Leistungen erfasst werden sollen. Auch die Evaluation von Unterricht eröffnet nicht nur eine grundsätzliche Möglichkeit, Schüler:innen mitbestimmen zu lassen, sondern auch die Wirksamkeit und Qualität von Lernprozessen zu steigern.
Beteiligung ist kein Selbstzweck, sondern Bestandteil demokratischer Prozesse und befähigt zu selbstorganisiertem, eigenverantwortlichem und nachhaltigem Lernen. Die richtigen digitalen Tools schaffen hierfür Voraussetzungen, asynchron, sprich zeit- und ortsunabhängig, offen und transparent, solche Prozesse zu kommunizieren, zu organisieren und kollaborativ zu gestalten. Sie können auch eine Anonymität liefern, die an manchen Stellen gefragt bzw. notwendig ist und den Schutz der Privatsphäre, wie in Artikel 16 der Kinderrechte aufgeführt, sichert. Etherpads, webbasierte Editoren, wie das ZUMPad, CryptPad oder Yopad sind hierfür bestens geeignet.
Ein besonders wirksames und nachhaltiges Lernen findet dann statt, wenn junge Menschen beim Wissenserwerb weniger als Nutzende und mehr als Produzierende agieren (können), konkret über die Erstellung eigener Lernprodukte. In einer Kultur der Digitalität können das Videos, Podcasts, Blogbeiträge oder die Produktion von OER (Open Educational Resources) sein. Ein Potenzial des kulturellen Wandels durch Digitalität liegt im Kollektivwissen, das sich durch den globalen Zugang und Austausch entwickelt hat. Um daran partizipieren zu können, müssen im Unterricht die Grundlagen dafür gelegt werden.
Zu den Grundlagen gehört es, ein Verständnis für die Kultur der Digitalität zu erwerben. Mithilfe des Frankfurt-Dreiecks, das Vertreter:innen aus der Medienpädagogik, Informatik und Kulturwissenschaft entwickelt haben, kann das besonders gut gelingen. Dabei wird sich einem Gegenstand aus drei Perspektiven über Analyse, Reflexion und Gestaltung genähert: technologisch und medial, mit Blick auf die Strukturen und Funktionen, gesellschaftlich und kulturell, um die Wechselwirkungen aufzugreifen und durch die Betrachtung der Interaktionen. Auf diese Weise werden junge Menschen befähigt, sich souverän und mündig im Netz zu bewegen, weil sie z.B. besser verstehen können, wie ein soziales Netzwerk wie TikTok funktioniert, wirkt und genutzt wird, ihr eigenes Verhalten bewusster wahrnehmen, reflektieren lernen und erfolgreicher gestalten können. Ein Beispiel hierfür ist Feroza Aziz, die mit einem Video auf der chinesischen Plattform TikTok auf das Vorgehen gegen Muslime in China aufmerksam machen konnte und viral ging, indem sie ihre politische Botschaft mit einem Schminkvideo ummantelte und damit auch auf Diskussionen um Zensur auf der Plattform einging (Zhong 2019).
Durch Lernprodukte im Netz kann auch die internationale Zusammenarbeit im Bildungswesen, wie sie in Artikel 28 der Kinderrechte vereinbart steht, gefördert werden. Das können beispielsweise Projekte sein, bei denen Klassen ihr Leben oder regionale Besonderheiten aus ihrer Perspektive beschreiben und sich so mit Kindern auf anderen Kontinenten austauschen und von- und miteinander lernen. Gleichzeitig können sie auf diese Weise Selbstwirksamkeit und persönlich sinnstiftendes Lernen erfahren. Teilhabe ist auch ein wesentliches Element der Persönlichkeitsbildung.
2. Schulkultur
a) Schülervertretungen
Mit den verschiedenen Formen der Schülervertretung wurden in Deutschland nach dem Krieg Organe der Mitbestimmung und zur Demokratisierung von Gesellschaft in den Schulen eingeführt und gesetzlich verankert. Auch in diesem Bereich bietet die Kultur der Digitalität neue Möglichkeiten, die angestrebten Ziele und Werte mit der Einführung der Schülervertretungen zu verwirklichen. Das beginnt mit den Zugängen zu Informationen und geht bis zur Teilhabe an bestehenden Lösungsfindungen und Entscheidungsprozessen. Das gilt für die Arbeit der Organe der Schülervertretung und aller sonstigen schulischen Gremien.
Wenn Sitzungen, Protokolle, Ergebnisse und Projekte, d.h. ihre Planungen und Umsetzungen, digital dokumentiert, aufbereitet und allen auf den schulischen Kanälen zur Verfügung gestellt werden, wird erst Teilhabe und im nächsten Schritt Beteiligung ermöglicht. Je höher die Transparenz von Informationen, Strukturen und Prozessen aller schulischen Belange, die Schüler:innen betreffen, umso mehr Teilhabe ist möglich. Durch digitale Texte, Audio- und Videodateien können hierbei viel stärker diverse und barrierefreie Zugänge erreicht werden.
b) aula – Schule gemeinsam gestalten
Wer die Herausforderungen der Demokratiebildung und der digitalen Transformation im Rahmen der Schulkultur zeitgleich angehen möchte, hat mit aula (ausdiskutieren und live abstimmen) ein besonders geeignetes Konzept, das unter der Leitung von Marina Weisband von politik-digital e.V. entwickelt und 2016 zum ersten Mal an vier Pilotschulen in Deutschland eingeführt wurde. Es besteht aus einem von allen am Schulleben Beteiligten gemeinsam entwickelten Vertrag, der Rahmenbedingungen der Mitbestimmung regelt, aus im Schulalltag integrierten und regelmäßigen aula-Stunden und aus einer (freien) Software.
Mit aula können alle Schüler:innen über eine digitale Plattform und App ihre Ideen einbringen, wie sie ihre Schule verändern und verbessern möchten. Um diese Vorschläge auch umsetzen zu dürfen, müssen sie Mehrheiten überzeugen und die Ideen so entwickelt und ausformuliert haben, dass sie im Rahmen des vereinbarten Vertrages umsetzbar wären. Sie lernen auf diese Weise diverse Perspektiven zu berücksichtigen und wie komplex es sein kann, gemeinsam Kompromisse auszuhandeln. Vor allem erfahren sie aber, dass ihre Stimme ein Gewicht haben und einen Beitrag leisten kann.
3. Außerschulisches Wirken
Ein enormes Potenzial der Kultur der Digitalität stellt der Zugang zu Expertise dar. Noch nie war es dank des Internets und sozialer Netzwerke so einfach Expert:innen aus der ganzen Welt mit einzubeziehen, durch sie globale Bezüge herzustellen, um damit u.a. eine Sensibilisierung für und Achtung vor der natürlichen Umwelt zu erlangen, womit gleichzeitig eines der in der UN-Kinderrechtskonvention vereinbarten Ziele erreicht werden kann. Aber auch die lokalen Zugänge müssen hier mitgedacht werden, weil sich Kinder im kommunalen Radius physisch bewegen.
Dabei geht es nicht nur darum, durch eine Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartner:innen aus der Region zusätzliche Expertisen während der Unterrichtszeit in die Schulen zu holen, sondern Kindern auch einen Überblick zu verschaffen, welche Akteure und Unterstützungsmöglichkeiten kommunal vorliegen und wie sie auf diese zugreifen können, um beispielsweise Bildungsungerechtigkeit besser entgegenwirken zu können. Digitalität kann hier den Informationsfluss und eine wirksame und nachhaltige Vernetzung erleichtern.
Das wahrscheinlich bekannteste und bedeutendste außerschulische Beispiel für eine solche globale Zusammenarbeit ist die Fridays-for-Future-Bewegung, die 2018 durch die damals 15-jährige Greta Thunberg ausgelöst wurde. Weltweit sind junge Menschen ihrem Vorbild gefolgt und haben über das Internet und soziale Netzwerke sich und andere informiert und mobilisiert, ihnen Mut gemacht, sich ihnen ebenfalls anzuschließen. Sie haben dazugelernt und sich mithilfe digitaler Möglichkeiten lokal und global organisiert, sich untereinander, aber auch mit diversen Expert:innen ausgetauscht und vernetzt, sich Gehör verschafft, die Klimakrise in ihrer Tragweite verdeutlicht und bekämpft.
Fazit
Digitale Teilhabe an Schulen ist nicht primär eine Frage der Soft- und Hardware, sondern eine pädagogische, didaktische und vor allem eine Frage der Haltung der für Bildung verantwortlichen Akteure, die sich an den globalen und gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen orientieren und daraus legitimieren muss. Beispiele wie die Digitale Transformation oder die Corona-Pandemie belegen, dass aufgrund einer zunehmenden Komplexität die Beteiligung vieler notwendig ist, um überhaupt Lösungen zu finden, die in demokratischen Gesellschaften akzeptiert werden. Digitale Strukturen und Beteiligungsformate können das unterstützen.
Deshalb muss Partizipation das Fundament des Lernens (wie und wofür Wissen erworben wird) und schulischen Lebens sein, das junge Menschen fachlich und demokratisch befähigt, Lösungen gemeinsam zu entwickeln und Kompromisse zu tragen. Es ist die Aufgabe der Politik, der Schulleitungen und Lehrer:innen, im Unterricht, auf schulkultureller Ebene und im außerschulischen Wirken dafür einen Rahmen zu schaffen und für günstige Voraussetzungen für solche Beteiligungsprozesse zu sorgen.
Ein hilfreicher Indikator bei der Auswahl von digitalen Plattformen oder sonstiger Software ist der Blick auf die Rolle der Schüler:innen, die ihnen dabei zukommt. Werden hierarchische Machtstrukturen reproduziert oder werden junge Menschen durch das digitale Setting befähigt und unterstützt, selbstständig, eigenverantwortlich und souverän handeln zu können? Digitale Teilhabe kann aber vor allem nur dann gelingen, wenn sie von Beginn an gemeinsam mit jungen Menschen ausgehandelt wird.
Beiträge, die ich im Auftrag für andere verfasse, veröffentliche ich später auf diesem Blog, um meine Texte auf einer Website gebündelt zu haben. Diesen Leitartikel habe ichim Rahmen des Projekts #RespektBW der Landesregierung für das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (unter CC BY-NC-SA 4.0-Lizenz) geschrieben. Es lohnt sich, mehr als nur einen Blick auf das gesamte Lehrmaterial und die Downloads des „Bitte Was?!“-Projekts zu werfen.
Welche Rolle spielt Demokratiebildung in der Schule?
Das Demokratieverständnis eines Menschen ist das Ergebnis seiner persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Es kann nicht vermittelt werden wie eine auswendig zu lernende Information, sondern bildet sich über gelebte demokratische Grundwerte und einen Rahmen, in dem unterschiedliche Möglichkeiten echter Beteiligung mit klaren Verbindlichkeiten eine tragende Rolle spielen.
Schulen bieten dafür mit der gesetzlich verankerten Schülermitverantwortung nicht nur eine Struktur und einen Raum, sie sind auch der Ort, an dem die ersten, prägenden Erfahrungen gesammelt werden. Deshalb ist es notwendig, Demokratiebildung als gemeinsame, gesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung zu verstehen, die im Lebensraum Schule nicht auf ein Fach oder auf die Bemühungen weniger Personen reduziert werden darf.
Demokratiebildung findet nur dann statt, wenn Partizipation gelingt. Für eine erfolgreiche Beteiligung genügt es nicht, Angebote zu schaffen. Partizipation ist ein Prozess, in dem Unterstützung benötigt wird und Beteiligung gelernt werden muss, dauerhaft und auf verschiedenen Ebenen. Demokratiebildung gelingt, wenn Schülerinnen und Schüler informiert und gefragt werden, mitsprechen und entscheiden dürfen und zur Mündigkeit befähigt werden – zuerst im relativ überschaubaren Rahmen der Schule, wobei die so erworbenen Kompetenzen dann auf die Gesellschaft übertragen werden können. Hier spielen Schulleitungen und Lehrende eine zentrale Rolle. Sie entscheiden in der Praxis, wie viele Ressourcen bereitgestellt und welche Prioritäten eingeräumt werden. Dabei geht es um das Verständnis von Schule und Bildung. Ein Blick auf die jüngste Vergangenheit, in der Rechtspopulismus demokratische Strukturen weltweit zunehmend gefährdet, zeigt, dass die Errungenschaften von Demokratien gesellschaftlich immer wieder aufs Neue verteidigt werden müssen. Wenn die dafür notwendige Haltung und das Handwerkszeug, um sich an demokratischen Prozessen beteiligen zu können, nicht in der Schule gebildet und gelernt werden, wo dann?
Demokratiebildung im digitalen Wandel
Durch die digitale Transformation finden seit Jahrzehnten grundlegende Veränderungen der gesellschaftlichen Ordnung statt. Grenzen werden aufgelöst und bisherige Strukturen greifen nicht mehr. Dieser kulturelle Wandel durch eine vernetzte Welt erzeugt nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch Notwendigkeiten der Demokratiebildung. Allein durch Smartphones und soziale Netzwerke wandeln sich Kommunikation und Hierarchien wesentlich. Es gilt, jungen Menschen zu ermöglichen, die Funktionen, Wirkungen und Anwendungen dieses Wandels zu verstehen. Eine zentrale Aufgabe und Verantwortung von Demokratiebildung im digitalen Wandel besteht darin, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, diese neuen Gestaltungsräume zur Demokratisierung zu nutzen und die neue gesellschaftliche Ordnung aktiv mitzugestalten.
Grundsätzliches zum kulturellen Wandel
Der kulturelle Wandel stellt mit der Entwicklung vom Buch zum Netz einen Paradigmenwechsel und eine gesellschaftliche Herausforderung dar, die im öffentlichen Diskurs sehr kontrovers betrachtet und bewertet werden. Eine differenzierte und wertfreie Herangehensweise wäre notwendig, gelingt aber nicht immer. Es scheitert nicht selten daran, dass jeder Mensch durch seine persönlichen Erfahrungen geprägt ist. Eine Debatte, die sich am Muster Pro und Kontra orientiert, wird zu einer Haltungsfrage und kann die Komplexität der digitalen Transformation nicht erfassen und nicht verständlich machen. Genau das ist aber gesellschaftlich dringend notwendig, um Mündigkeit zu erreichen und handlungsfähig zu werden.
Soziale Netzwerke und Demokratiebildung
Wenn soziale Netzwerke im Kontext von Demokratie diskutiert werden, lassen Fake News, Hatespeech oder Social Bots, die demokratische Prozesse negativ beeinflussen bzw. Meinungsbildung erschweren oder manipulieren, nicht lange auf sich warten. Diese Phänomene existieren, erfordern einen Raum im öffentlichen Diskurs und sind auch ernst zu nehmen. Soziale Netzwerke darauf zu reduzieren, entspricht aber nicht der differenzierten Betrachtung, die nötig ist, um ein ausreichendes Verständnis für den sich vollziehenden und komplexen kulturellen Wandel zu bilden.
Hierfür empfiehlt es sich, folgende drei Fragen des Dagstuhl-Dreiecks, das im März 2016 während einer Tagung auf Schloss Dagstuhl von Expertinnen und Experten aus Informatik, Wirtschaft, Medienpädagogik und Schulpraxis entwickelt wurde, in Bezug auf soziale Netzwerke zu untersuchen: Wie funktionieren sie? Wie wirken sie (auf mich und die Gesellschaft)? Wie werden sie genutzt (von mir und der Gesellschaft)?
Ein Missverständnis bei sozialen Netzwerken hat terminologische Gründe, weil sozial in der Umgangssprache mit gemeinnützig gleichgesetzt wird. Sozial beschreibt aber ursprünglich die Gruppe als Handlungsvoraussetzung und keine Wertung einer Handlung. Bei sozialen Netzwerken geht es somit um unterschiedlich große Gruppen von Menschen, die über eine digitale Plattform weltweit miteinander vernetzt sein und kommunizieren können. Wie gepostet werden kann oder der Algorithmus funktioniert, der bestimmt, welche Beiträge in einer Timeline angezeigt werden, spielt zwar eine wesentliche Rolle, aber nicht die alleinige.
Soziale Netzwerke sind Teil der vierten Gewalt und wandeln durch ihre Möglichkeiten das gesellschaftliche Machtgefüge. Als vierte Gewalt wird der öffentliche Diskurs, der das politische Geschehen beeinflussen kann, verstanden. Durch den digitalen Wandel ist er nicht mehr auf Presse und Rundfunk beschränkt, sondern wird über soziale Netzwerke grundlegend verändert. Soziale Netzwerke wirken als solche, aber auch in andere, bisher bestehende Systeme hinein und umgekehrt, da auch Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive, Legislative, Judikative, von Zeitungen oder vom Radio und Fernsehen darüber kommunizieren.
Welches partizipative und demokratische Potenzial soziale Netzwerke bergen, zeigte nicht nur die Bewegung March for Our Lives, die nach dem Massenmord an der Marjory Stoneman Douglas High School in Florida im Februar 2018 von Schülerinnen und Schülern ins Leben gerufen wurde. Die Jugendlichen, unter anderem die charismatische Emma González, benutzten YouTube, Twitter und Instagram, um nachhaltig für ihre Anliegen – schärfere Waffengesetze oder Waffenverbote – zu werben. Sie erreichten in kurzer Zeit eine weltweite Aufmerksamkeit und eine Gesetzesänderung in ihrem Bundesstaat und mobilisierten über eine Million junger Menschen aus allen Bundesstaaten zu einer Demonstration in Washington D.C. Ähnlich verhält es sich mit Greta Thunberg, die es auch dank Twitter und Facebook geschafft hat, ihr Anliegen aus Stockholm in die ganze Welt zu tragen und andere junge Menschen zu motivieren, sich ihr bei den Fridays-for-Future-Demonstrationen anzuschließen.
Wer sich mit Jugendbeteiligung auseinandersetzt, weiß, dass Meinungen junger Menschen normalerweise im öffentlichen Diskurs kaum bis gar keinen Raum erhalten. In beiden Fällen haben es Jugendliche geschafft, ihrer Stimme über die medialen Möglichkeiten ein Gewicht zu verleihen und den öffentlichen Raum zu besetzen. Dies zeigt: Wer die Mechanismen und Spielregeln sozialer Netzwerke versteht, wird zur gesellschaftlichen Mitgestaltung befähigt und kann bestehende Strukturen und Hierarchien überwinden.
Soziale Netzwerke können zur Demokratisierung beitragen. Dafür müssen aber jungen Menschen Zugänge zur Teilhabe aufgezeigt werden, manchen mehr und manchen weniger. Zur Demokratiebildung gehört auch Meinungsbildung. Hier müssen der Umgang mit Fake News oder Hatespeech gelernt werden und Informationskompetenz trainiert werden. Sich mithilfe des Netzes eine fundierte Meinung zu bilden und sie adäquat und souverän im Netz vertreten zu können, muss Teil des Bildungsprozesses sein. Die Kommunikationskultur bildet die Gesellschaft ab. Wer eine demokratische Gesellschaft anstrebt, sollte Demokratiebildung unterstützen, online und offline.