d64_breitMit einem ausführlichen Impulsvortrag zur Fragestellung Welche „digitale Bildungsrevolution“ wollen wir? leitete Lisa Rosa vor einem bunt gemischten Publikum die vierte D64-Veranstaltung aus der Reihe Lernen in einer digitalisierten Welt ein. Dabei analysierte sie den bisherigen Einsatz neuer Medien, erläuterte das Erreichen einer neuer Kulturstufe, definierte einen neuen Lernbegriff, eröffnete mögliche Wege der Entwicklung im Bildungsbereich und schloss mit möglichen Lösungsansätze ab. Eine kurze Zusammenfassung, orientierend an den Überschriften aus Lisas Prezi, und ein Einblick in einen gelungenen Abend. (Im Anschluss wurde ich von Julien Bender zum Thema Bildung im digitalen Wandel interviewt. Hier das Ergebnis.)

Neue Medien = neue Mittel für besseres Lernen?

Die kurze Version Lisas Antwort war, dass Neue Medien nicht zwangsläufig zu besserem Lernen führen – im Gegenteil. Das verdeutlichte sie durch ein YouTube-Video eines aufgezeichneten Unterrichts, in dem ausschließlich mit iPads und zahlreichen aneinandergereihten Apps das Thema Demokratie abgehandelt wurde. Bildschirmfoto 2017-03-24 um 09.58.29(Leider kann ich diese Aufzeichnung hier nicht verlinken, weil sie mittlerweile gelöscht wurde.) Als zweites Beispiel verwies sie auf die Learning Snacks, in denen man Wissen als leicht verdauliche Häppchen konsumieren kann. Wenn Bisheriges auf Tools und Quizze reduziert wird, verleiht es zwar manchem Unterricht einen innovativen Antlitz, führt aber zu einem Rückschritt, weil vor dem digitalen Wandel das Ziel im Raum stand, Schüler_innen von ihren Fragen ausgehend aktiv am Unterricht zu beteiligten und mitgehalten zu lassen. Mit der Toolifizierung, möglichst häufig und viele neue Medien (wobei hier fälschlicherweise neue Medien mit Technik gleichgesetzt und Medien als Werkzeuge verstanden werden) einzusetzen, und der Quizzifizierung, Wissen über den Nürnberger Trichter in Form von Quizzen zuzuführen, führte Lisa zwei Begriffe ein, die diese Entwicklung kritisch beschreiben sollen.

Neues (Leit-)Medium = neue Kulturstufe

Das Bild von Barrett Lyon, das als Ergebnis eines Projekts 2003 die Visualisierung des World Wide Webs darstellt, wäre heute ein anderes – um ein vielfaches vernetzter und wahrscheinlich ohne erkennbare Zwischenräume. Damit leitete Lisa über zum Erreichen einer neuen Kulturstufe und verweist auf Gieseckes Innovationsspirale, in der neue Kommunikationsformen und (technische) Medien zu neuen Weltbildern und Identitätskonzepten und neuen Wahrnehmungsprogrammen führen, die wiederum neues Wissen über unsere Umwelt schaffen und umgekehrt. Man kann das am Beispiel von Smartphones bzw. Tablets und sozialer Netzwerke durchspielen. Mobile Endgeräte und Social Media begünstigen, dass wir zunehmend globaler kommunizieren, denken und uns selbst wahrnehmen. Dieses neue Wissen über die Umwelt führt zu neuen Wahrnehmungsprogrammen, die an neue Kommunikationsformen und Medien geknüpft sind, wie z.B. Augmented Reality oder künstliche Intelligenz. Und so dreht sich die Spirale immer weiter.

Neuer Wissens- und Lernbegriff

Die durch neue Medien hinzugewonnenen Möglichkeiten Wissen zu generieren und zu lernen benötigen auch ein neues Verständnis. Zwei Vorstellung gilt es dabei (in Schulen) zu überwinden:

a.) Wissen erlangt man, indem man Informationen, wie Häppchen, aufnimmt.

b.) Diese Aufnahme führt zwangsläufig zu objektiviertem Wissen.

Die bisher gängige Vorstellung von objektiviertem Wissen stößt im digitalen Wandel vollends an ihre Grenzen und lässt große Teile der Gesellschaft verzweifeln, indem zum Beispiel bisherigen Fakten “alternative“ entgegengestellt werden. Wissen kann nicht von Emotionen befreit werden, sondern stellt einen stets subjektiven und kognitiven Prozess dar, der zusätzlich von Kontext, Situation oder Urteilskraft abhängt. Diese unterschiedlichen Perspektiven beim Wissensprozess spielen eine zentrale Rolle. Nur wenn sie erkennbar, verhandelbar gemacht und zur Kritik gestellt werden, kann eine Objektivierung erfolgen. Ansonsten erhalten wir beliebige bzw. “alternative Fakten“. Deshalb benötigen junge Menschen die Kompetenz, in Informationen die anhaftende und hinzugefügte Bedeutung zu erkennen und sie im Kontext zu verstehen.

Scheideweg – zwei Richtungen

Lisa stellte bezüglich neuer Medien zwei Richtung aus dem Bildungsbereich vor, in der man sich dieser Thematik annimmt.

  • Auf der einen Seite gibt es das Interesse, damit Geld zu verdienen. Das kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden. Zum Beispiel über Software, die alles, was Lernende am Rechner machen, verfolgt und auswertet, um ihm im Anschluss die nächste maßgeschneiderte Aufgaben zu stellen. In manchen Bildungsfilterblasen sozialer Netzwerke wird solchen Szenerien entgegengefiebert. Lisas kritisierte die nicht selten verwendete und irreführende Etikettierung dieser Art zu lernen mit dem Begriff Individualisierung und sprach sogar von Entmündigung, weil an einen Algorithmus Verlauf und Auswahl abgegeben werden. Die Bridge International Acadamies wurden als weiteres Beispiel für Profit-Interessen genannt. Hier werden vom US-Unternehmen Schulen in Indien, Kenia, Liberia, Nigeria und Uganda gebaut, mit Technik ausgestattet und getrackt. Bildung wird abhängig von Renditeerwartungen aus dem Ausland.
  • Auf der anderen Seite sieht Lisa eine emanzipatorische Bewegung, die aus gesellschaftlichem Interesse junge Menschen dazu befähigen möchte, bereits bestehende und noch kommende Herausforderungen zu meistern. Um herauszufinden, was es dazu braucht, stellte Lisa vier Fragen:
  1. Was kann der Computer nicht?
  2. Was ist spezifisch menschlich?
  3. Was ist nicht berechenbar?
  4. Was wird heute gebraucht?

(Wen die Antworten aus dem Vortrag interessieren, findet sie in Lisas oben verlinkter Prezi oder in der hier auf YouTube hochgeladnen Aufzeichnung.) Diese Fragen gehören meiner Meinung nach nicht nur im Bildungsbereich, sondern innerhalb der gesamten Gesellschaft diskutiert. Lisa Rosa hat mit ihrem Text und Vortrag in Freiburg einen ordentlichen Beitrag dazu geleistet. Vielen Dank dafür.

Die Antwort auf die Frage, welche digitale Bildungsrevolution wir wollen, kann nur im Austausch mit anderen geklärt werden und scheint mir im Sinne zeitgemäßer Bildung nie endend und von anderen abweichend zu sein. Wer sich mit dem Thema weiter auseinandersetzen möchte, darf sich auf den Austausch mit dem nächsten Referenten und Bildungsdesigner Christoph Schmitt freuen. Das genaue Datum und weitere Infos zur kommenden Veranstaltung aus der Reihe Lernen in einer digitalisierten Welt werde ich in einem neuen Blogbeitrag bekanntgeben.

 

 

d64_breitWelche „digitale Bildungsrevolution“ wollen wir? lautet die Fragestellung der vierten D64-Veranstaltung aus der Reihe Lernen in einer digitalisierten Welt, die am Dienstag, den 21. März von 19:30Uhr bis voraussichtlich 21:30Uhr im Grünhof stattfinden wird. Die Frage ist auch gleichzeitig der Titel eines Blogbeitrags von Lisa Rosa, der sowohl online als auch offline in der Filterblase um den Hashtag #DigitalenBildung intensiv diskutiert wurde. Dass der digitale Wandel unser gesellschaftliches Zusammenleben bereits verändert und uns vor neue Herausforderungen stellt, ist kein Geheimnis. Was bedeutet das aber zukünftig für die Institutionen aus dem Bildungsbereich? Welche Änderungen verlangt das für die Lehrenden und Lernenden? Die möglichen Antworten auf diese Fragen sollten zeitnah in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion herausgearbeitet werden. Deshalb wird uns Lisa Rosa zunächst mit einer Präsentation einen Überblick über das umfangreiche Thema bieten, um im Anschluss mit dem Publikum eine erstrebenswerte Zukunft zu diskutieren, die unsere Kinder auf das Leben angemessen vorbereitet.

lisa-rosa-e1478514841249Lisa Rosa hat Politische Wissenschaften, Geschichte und Musik studiert und war 20 Jahre Vollzeit-Lehrerin an einer Gesamtschule in Westberlin und an einem Hamburger Gymnasium. Seit 2005 arbeitet sie in der Unterrichtsentwicklung im Referat Gesellschaft des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg. Ihre Interessen und Arbeitsgebiete liegen in den Bereichen Digitale Medien und Bildung, Wissensgesellschaft, Politische Bildung, Lerntheorie und Projektdidaktik. Sie ist bezüglich der Themenfelder um #DigitaleBildung nicht nur eine Vordenkerin, sondern lebt sie auch vor: In Zahlen sind das dann über 22300 Tweets (das macht ca. 7 Tweets täglich), 3 Blogs, 17 Präsentationen bei SlideShare, 4027 Lesezeichen bei diigo, 33 Prezis und 18 Artikel (natürlich Bücher) in der Amazon-Wunschliste. Man kann ihrer Arbeit und ihren Gedanken auf fast allen sozialen Netzwerken folgen und sich jederzeit mit ihr darüber austauschen. Ihr Vortrag „Verlust und Neugewinn: Lernen und Lehren im Medienumbruch“ bietet euch einen Vorgeschmack auf den Abend.

Es wird wieder einen Periscope-Livestream geben, damit auch diejenigen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht vor Ort seinen können, der Veranstaltungen folgen können. Das Video werde ich, falls es zu keinen technischen Problemen kommen sollte, hinterher bei YouTube auf meinem Kanal zur Verfügung stellen. Der Eintritt ist kostenfrei. Einlass ist ab 19:10Uhr. (Hier geht es zum Link der Facebook-Veranstaltung.)

Während sich Bildungsexperten die Köpfe zerbrechen, wie sich Lernen durch die neu eröffneten Möglichkeiten der Digitalisierung ändern kann und soll, verbringen Jugendliche weiterhin täglich einen Großteil ihres Tages in den Sozialen Netzwerken. In der aktuellen JIM-Studie 2015 kann man sich einen Überblick über das Wie und Wo verschaffen.

Im Bildungsplan 2016 ist in Baden-Württemberg Medienbildung eine Leitperspektive. Welche Rolle sollen, können oder müssen dabei YouTube, Facebook, WhatsApp, Instagram oder Snapchat im Unterricht spielen? Wie ist der rechtlich unterschiedliche Umgang mit diesen Netzwerken, den Jöran Muuß-Merholz hier exemplarisch am Beispiel Facebook im Bundesvergleich zusammengefasst hat, einzuschätzen? Diesen und den vielen anderen sich aufdrängenden Fragen rund um das Thema Social Media in Schulen wird sich Philippe Wampfler am 23. Februar 2016 in Freiburg, im Rahmen der D64-Veranstaltungsreihe „Lernen in einer digitalisierten Welt“, annehmen. Nach einem Impulsvortrag wird es im Grünhof um 19:30Uhr eine Podiumsdiskussion geben, zu der alle am Schulleben Beteiligten herzlich eingeladen sind. Falls jemand via Twitter Philippe, im Vorfeld oder im Laufe der Veranstaltung, Fragen stellen möchte, bitte ich darum, dafür wieder den Hashtag #LernenDigitalD64 zu nutzen.

Wer ist Philippe Wampfler?

Allen, die sich diesem Thema zum ersten Mal nähern und nichts mit dem Referenten anfangen kön10575138_10204001041082778_4064437450152370568_onen, möchte ich Philippe kurz vorstellen. Philippe unterrichtet Deutsch und Philosophie an der Kantonsschule Wettingen und arbeitet seit diesem Jahr als Dozent der Fachdidaktik Deutsch am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Zürich. Durch seine zahlreichen und viel gelesenen Blogbeiträge auf Schule und Social Media und die Bücher Facebook, Blogs und Wikis in der Schule – Ein Social-Media-Leitfaden und Generation Social Media ist er auf diesem Gebiet nicht nur eine Koryphäe, sondern Vorreiter und Vorbild. Ihr glaubt mir nicht? Dann lest es hier nach. Immer am Puls der Zeit meistert Philippe den Spagat zwischen Haftbefehl und Kant. Allen Lehrern, die einen Social Media-Auftritt aus Angst vor Fehlern scheuen, empfehle ich Philippe auf Twitter und Facebook zu folgen, um zu sehen, wie Souveränität gelingen kann.

Vermerkt euch den 23.02.2016 in euren Kalendern, informiert potentiell Interessierte und nehmt selbst an der Debatte „Schule und Social Medi-Ja oder Nein?“ teil. Tragt sie bitte in die Schulen; denn da gehört sie seit Jahren schon hin.

Nachtrag

Ich durfte für das Webportal Fudder ein paar Worte zur Verantstaltung schreiben. Hier kann man es nachlesen.