Vorträge in Online-Präsenz

Durch Covid-19 und die dadurch getroffenen Maßnahmen entfielen seit März zahlreiche Veranstaltungen und mit ihnen auch die Vorträge. Einige Monate später haben sich viele Planungsteams darauf eingestellt und Events zu Online-Angeboten umgewandelt bzw. „digitalisiert“. Es hat sich in diesem Zusammenhang herumgesprochen, dass der Entfall des Reisens wegen Vorträgen einige ökologische und (zeit)ökonomische Vorteile mit sich bringt. Es gibt dazu aber weitere, grundlegende Aspekte von Vorträgen in Online-Präsenz, die weniger (öffentlich) diskutiert wurden, aber nicht weniger relevant sind und die ich in diesem Beitrag aufgreifen möchten.

Das HonoRAR

Honorare sind ein sehr komplexes Thema, über das nicht gerne öffentlich gesprochen wird. Das wesentliche Missverständnis möchte ich trotzdem nennen, weil nicht selten bei Veranstaltungsplaner:innen ein Verständnis vorliegt, dass alles, was im Internet stattfindet, weniger wert bis kostenlos sein muss: Der Wert eines Vortrags wird nicht an der Länge, Anreise oder physischen Präsenz gemessen, sondern ist ein Produkt einer lange aufgebauten Expertise. Die gilt es zu honorieren. (Ich möchte hier darauf hinweisen, dass einige Speaker:innen besonders in diesen Zeiten auf solche Beträge angewiesen sind und durch Covid-19 heftige finanzielle Einschnitte kompensieren müssen.)

Nicht digitalisieren

Analoges und Bestehendes zu digitalisieren, es ins Digitale zu übertragen, ist meistens der erste Reflex und Ansatz, wenn es um digitale Lösungen geht. Dabei wird der Fehler begangen, nicht zu berücksichtigen, dass diese Formate und Angebote im und für den physischen Raum konzipiert wurden. Ihre Wirkungen, Anwendungen und Nutzungen hängen damit zusammen. Vortragende bekommen das spätestens dann zu spüren, wenn die Komponente Publik entfällt, sie in eine Webcam blicken, nur ihre Folien auf dem Laptop sehen und die Stimmung nicht eingefangen und darauf eingehen können.

Deshalb stellt sich auch bei Vorträgen in Online-Präsenz die Frage, ob und weshalb sie synchron stattfinden sollen. Das sich viele Leute nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und Kanal einen Vortrag anhören und -sehen können, ergibt in einer Kultur der Digitalität keinen Sinn bzw. erzwingt künstlich eine zeitliche und räumliche Bindung, die aus der physischen Konzeption übernommen wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass die Technik selten bis gar nicht für alle Beteiligten so funktioniert, wie sie sollte. Gerade wenn es um das Thema Digitalität geht, werden hier ich Erfahrungen gesammelt, die nachhaltig negative Folgen haben können.*

* Digitale Technik muss immer so funktionieren, dass sich nie die Frage stellt, ob sie funktionieren wird. Solange das nicht der Fall ist, werden dadurch die Akzeptanz einer Kultur der Digitalität oder auch ihre Entwicklungen stark gehemmt und teilweise sogar verhindert. Dass ein Stift nicht mehr schreibt oder keine Kreide vorhanden ist, stellt das Maß an Hürde (Häufigkeit & Lösbarkeit) dar, das erreicht werden muss, wenn es um Digitales geht. „Normalerweise funktioniert‘s“ und „Bei mir klappt’s immer“ müssen der Standard und nicht die Ausnahme sein.

Mehr Austausch und Impulse in Online-Präsenz

Der Wert der Online-Präsenz besteht in der Möglichkeit, sich mit den Expert:innen (weltweit) auszutauschen. Deshalb bieten sich zwei Punkte an, um diese Zeit in einem digitalen Raum ergiebiger für alle zu nutzen: 

a.) Das, was Menschen im Netz schon seit Jahrzehnten machen: Vorträge vorab aufzuzeichnen. Die Übertragung kann so für alle an der Veranstaltung Beteiligten reibungslos gewährleistet werden und ist (im Sinne der Kultur der Digitalität) orts- und zeitunabhängig. Im besten Fall werden sie allen im Netz (im Sinne der Kultur des Teilens) zur Verfügung gestellt. (Wenn Vorträge aus verschiedenen Gründen in Online-Präsenz doch stattfinden sollen, empfehlen sich Impulse und die Grenze von 15 Minuten.)

b.) Es werden digitale Möglichkeiten für einen Austausch geschaffen, die möglichst offen, partizipativ, kollaborativ und transparent sind. Das können ganze digitale Arbeitsumfelder (wie hopin oder wonder), diverse Etherpads, aber auch Tools sein, bei denen Fragen von den Beteiligten eingestellt und gewichtet werden können. Oder Breakout-Räume, zu denen die Expert:innen zeitweise hinzukommen, um sich im kleinen Kreise auszutauschen.

Das sind alles nur Ideen und Anregungen, die sicher noch weitaus kreativer und kompetenter gelöst werden können und bereits wurden. Es ist aber auch ein kurzes Fazit meiner Erfahrungen der letzten Monate. Mein Ziel mit diesem Beitrag ist es, einen Impuls zu setzen, Veranstaltungsformate bzw. Vorträge als Elemente davon nicht mehr zu digitalisieren, sondern sie zu transformieren und in einer Kultur der Digitalität neu zu denken und zu konzipieren.

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