Der Bildung neue Retter:innen

Ein Trend, der in den letzten Monaten verstärkt auftritt, ist, dass „Macher“, wie Frank Thelen, oder Gründer:innen, die erfolgreich das Startup-Feeling versprühen, das Thema Bildung für sich entdeckt haben. Der Zeitpunkt könnte schließlich günstiger nicht sein, da alles nach „Digitalisierung“ schreit und die Schulen offensichtlich hinterherhinken und neue Belege dafür nicht erst seit Covid-19 in Print, TV oder Social Media täglich aufpoppen. Der Frame bzw. die Geschichte ist einfach: Leute, die sich mit Digitalisierung auskennen und erfolgreiche Unternehmer:innen sind, packen jetzt an und retten die Bildung.

Innovative Startup-Leute verfassen Gastbeiträge, veröffentlichen knackige Prognosen bei TikTok oder zeichnen Podcasts und YouTube-Videos auf, um Bildung zu rocken und mit ihrem Einfluss Stars und Pioniere zu generieren, die für Hochglanz stehen und vorgeben, ganz genau zu wissen, wohin es geht. Die Liste ist lang und es gibt sicher Personen, die diese Praxis weitaus intensiver verfolgen als Frank Thelen. Er ist hier nur ein Beispiel von vielen, an dem sich die Vorgehensweise und Wirkung exemplarisch und konkret aufzeigen lässt.

Wer prominent über Bildung spricht, erhält schnell das Label »Bildungsexpert:in« – oder verleiht es sich gleich selbst. Fast könnte der Eindruck entstehen, Bildung oder das Bildungssystem müssten sich in der Höhle der Löwen vor Frank Thelen bewähren. Richtet man den Scheinwerfer jedoch auf die selbst ernannten Juroren, zeigt sich, dass ihre Expertise aus den Erfahrungen der Schulzeit und dem Studium (eventuell kommt noch die Elternperspektive hinzu) besteht. Eine Parallele zum Fußball und den über 83 Millionen Nationaltrainer:innen vor dem Bildschirm drängt sich auf.

Was Bildung bedeutet, leisten kann und soll, wurde immer schon kontrovers diskutiert. Die Debatte darf und soll nicht ausschließlich von Personen geführt werden, die im Bildungsbereich tätig sind – im Gegenteil: Bildung ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Deshalb ist es sogar notwendig und begrüßenswert, wenn die Zukunft der Bildung und das Bildungssystem aus anderen Perspektiven und mit anderen Expertisen betrachtet und diskutiert werden. Nur eben nicht als PR-Stunt oder Digital Washing mit Buzzword-Paraden.

Wer ernsthaft etwas im Bildungsbereich verändern und sich engagieren möchte, kann und muss das über eine Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen und den Beteiligten erreichen. Das sind komplexe und dauerhafte Prozesse, die viel Kraft, Zeit und Kompromisse beanspruchen, wenn sie wirksam und nachhaltig sein sollen. Gerade im kommunalen Raum könnten solche Expert:innen ihr Wissen und ihren Einfluss einsetzen, um strukturelle, finanzielle oder fachliche Unterstützung zu bieten.

Fazit: Die erfolgreichen Unternehmer:innen und Gründer:innen, die laut über Bildung sprechen, packen im Bildungsbereich weder an noch können sie die Bildung retten. Sie sammeln in erster Linie Auszeichnungen und Applaus für sich selbst, anstatt eine Arbeit zu verrichten, die weiterhin aussteht und zu der sie nach wie vor herzlich eingeladen sind.

2 Comments

  1. Ergänzend könnte man ncoh anfügen, dass sich in der bildung auch wenig Geld verdienen lässt, aber viel Geld als Soziales kapital ausgegeben werden muss. Da sind solche „Engagements“ von Thelen und Co mit Vorsicht zu geniessen, genau wie im Artikel beschrieben („… ich sehe da kein Geschäftsmodell, deshalb bin ich raus …“). Vielen Dank für die kritische, aber trotzdem ausgewogene Betrachtung!

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  2. Schreib das doch bitte in den Blog-Kommantr, meinte Dejan. Nun gut, auch wenn es hier weiter ausgeführt werden müsste, um es verständlicher zu machen, belasse ich es bei den Tweet-Aussagen mangels Zeit. Irgendwann formuliere ich das dann mal aus …

    Tweet 1 @acwagner:
    Stimme dir grundsätzlich zu. Nur nicht: „Wer ernsthaft etwas im Bildungsbereich verändern und sich engagieren möchte, kann und muss das über eine Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen und den Beteiligten erreichen.“ Bildung wird man nur daneben weiterentwickeln können. #imho

    Tweet 2 @acwagner:
    Okay, das „nur“ nehme ich zurück. Aber neben dem etablierten System können durchaus sinnvolle Entwicklungen geschehen, wie z.B. außerschulische Orte, in denen mehr zeitgemäße Kompetenz aufgebaut wird als innerhalb des Systems. Eben weil agiler und weniger regelgebunden.

    Einschub @halfman1334:
    Absolut. Ich glaube aber auch, dass es nur im Schulterschluss zu bestehenden Strukturen geht. Sonst bleibt es Egofutter. Initiativen, die behaupten, DEN Weg zu kennen, werden scheitern, wenn sie sich bestehenden Strukturen nicht anpassen.

    Tweet 3 @acwagner:
    DEN Weg wird es hoffentlich nie geben. Bin schon ein grosser Fan von wirklichen alternativen jenseits des Status Quo. Letzterer ist zu behäbig und blockiert. Wie man seit Jahrhunderten sieht. Kreativität braucht Freiraum. Aber ich weiss schon, was euch stört. (Und mich auch.)

    Gefällt 1 Person

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