Worte finden und Bilder zeichnen für eine starke Demokratie

Die bundesweit bekannte und beliebte Parole „Ganz … hasst die AfD“ wird seit Wochen immer wieder auf Kundgebungen eingestimmt, in verschiedenen Varianten auf Plakaten verbreitet und im Netz häufig geteilt und geliket. Nach einem weiteren Demo-Wochenende und den noch vielen anstehenden Aktionen, soll dieser Beitrag dazu einladen, sich mit dieser Parole kritisch auseinanderzusetzen. 

Die Botschaft dieser Parole ist kurz und klar bzw. wird sofort von allen verstanden. Die Parole eint Menschen hinter einem gemeinsamen Feinbild, erzeugt Emotionen und ein Wir-Gefühl und identifiziert und benennt Schuldige und ein Problem. Gleichzeitig wird es durch die deutliche Abgrenzung zu den „Bösen“ sehr einfach, zu den „Guten“ zu gehören. Damit macht diese Parole am Ende das, was die AfD täglich macht:

eine komplexe Sachlage stark verkürzt darstellen, von den eigentlichen Ursachen der Probleme ablenken, indem Feindbilder geschaffen und in den Mittelpunkt gerückt werden, keine Lösungen anbieten und ein Wir und Ihr konstruieren. Hass ist keine Lösung. Hass ist und bleibt ein Problem, auch, wenn es die „Richtigen“ tun. Es ist verständlich und menschlich, wütend zu sein. Und doch muss es gelingen, menschlich zu bleiben und sich darauf zu besinnen, was Demokrat*innen tatsächlich seit Wochen antreibt und ausmacht. Persönlich erlebe ich in diesem Kontext viele Menschen auf der Suche danach, was sie eint und auf die Straße bringt. Hass ist es nicht. Hass kann auch keine Grundlage für eine Demokratie sein. Das kann nur etwas sein, das sie stärkt. 

Gegen etwas zu sein ist einfach. Das ist die Verlockung und Brücke dieser Parole zu Hass. Gleichzeitig ist das Wissen, was verhindert werden muss, bedeutend: „Gegen den Faschismus“ habe ich z.B. als einen breiten Konsens und eine der lautesten Parolen auf den Demos der letzten Wochen wahrgenommen. Gegen die Politik der AfD zu sein und zu handeln, die Menschenfeindlichkeit etablieren möchte und faschistische Ziele verfolgt, indem u.a. Grundrechte, Freiheiten und demokratische Strukturen abgebaut werden sollen, ist richtig und notwendig. Deshalb sind die vielen Kundgebungen ein wichtiger Schulterschluss aller Demokrat*innen über alle Lebensbereiche hinweg.

Die Einigung darauf, was abgelehnt wird und verhindert werden muss, ist daher ein wesentliches gemeinsames (und aktuell ein sehr wichtiges kurzfristiges) Ziel, um eine Demokratie zu schützen. Und doch muss der nächste, deutlich schwerere Schritt ebenfalls angegangen werden: das gemeinsame Aushandeln, wie eine für alle lebenswerte und starke Demokratie aussehen, nachhaltig gestaltet und erreicht werden kann. Dazu braucht es (auch auf den zahlreichen Kundgebungen, Plakaten und im Netz) Worte und Bilder, die Menschen bestärken, unterstützen und einladen, sich daran zu beteiligen. Diese zu finden, ist nicht einfach. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das gemeinsam gelingen kann und wird. 

1 Comment

  1. Ganz so einfach ist es, glaube ich, nicht. Auch demokratische Politik funktioniert nicht einfach auf Basis eines herrschaftsfreien Diskurses, in dem dann die bestmögliche Lösung für gesellschaftliche Probleme gesucht wird. Im besten Falle würde dabei ein technokratisches Verwalten des gegebenen Zustandes herauskommen. Fortschrittliche Politik, die Zukunft gestalten will, braucht den emotionalen Überschuss.

    Dass die AfD eine faschistische Partei ist, konnte man ohne große Recherche auch vor den Enthüllungen über die Deportationsplänen wissen. Aber vorher wurde jede noch so skandalöse neue Enthüllung über die AfD mit einem weitgehend emotionslosen „ja so sind sie halt, die Faschisten“ hingenommen. Bis eben zur Correktiv-Recherche über das Potsdamer Treffen. Das war ein Triggerpunkt, an dem dann die Emotionen hochkochten, das war einfach eine Entgleisung zu viel. Auf einmal begriffen viele Menschen nicht nur theoretisch, sondern ganz unmittelbar emotional, dass der Zeitpunkt gekommen war, nicht mehr nur die Achseln zu zucken, sondern eine ganz klare Grenze zwischen „denen“ und „uns“ aufzuzeigen. Diese emotional befeuerte Trennungslinie zwischen „uns“ und „denen“ ist wichtig, denn nur so finden wir wirklich zusammen.

    Und das ist nicht das selbe, was die Faschisten machen: Die markieren ihre Feinde willkürlich: Migrant:innen, Frauen, Menschen, die nicht der binären sexuellen Norm entsprechen, etc. Mit anderen Worten: Sie hassen Menschen für das, was sie sind. Wenn wir die Faschisten hassen, dann für etwas, das sie selbst gewählt haben. Sie haben sich ohne Zwang selbst, durch ihre Worte und Taten, dafür entschieden, Faschisten zu sein. Sie haben es selbst gewählt, die Grundlagen unseres Gemeinwesens zerstören zu wollen. Sie haben sich selbst zu unsere Feinden erklärt, es ist nicht unser Hass, der sie dazu macht.

    Wir müssen diese Emotion auch nicht unbedingt Hass nennen. Für mich persönlich würde ich auch sagen, dass ich die AfD nicht hasse. Dennoch sind es starke Emotionen, die mich bewegen: Abscheu, Ekel, Verachtung. Und auch Furcht, Furcht vor dem, was diese Menschen anrichten könnten, wenn sie an die Macht kommen. Und das treibt mich auf die Strasse und verbindet mich mit denen, die es ebenfalls nicht mehr auf dem Sofa hält, sondern die wie ich ihrer Empörung Ausdruck verleihen wollen.

    Diese Emotionen sind wichtig. Sie mobilisieren, überwinden die Trägheit, die uns in unserem Alltag gefangen hält, bringen uns in Bewegung. Emotionen sind der Anfang des politischen Engagements. Aber natürlich ist das nicht alles: Danach müssen wir diskutieren, unterschiedliche Standpunkte gegeneinander abwägen und Lösungen suchen. Auch das unterscheidet uns von den Faschisten: Wir wollen Lösungen finden, Zukunft gestalten. Aber auch dieses rationale, abwägende Planen muss mit Leidenschaft unterfüttert sein.

    Das Demokratiecamp am Samstag war das beste Beispiel dafür: Das war eine hochgradig emotionale Veranstaltung. Man muss sich nur die tag cloud vom Anfang der Veranstaltung anschauen, die unsere Werte repräsentierte: Fast alle diese Werte sind entweder direkt Emotionen oder hochgradig emotional aufgeladen. Und nur diese Leidenschaft ließ uns stundenlang enthusiastisch diskutieren und nach Lösungen suchen.

    Sicherlich müssen wir unsere Emotionen reflektieren, auch und gerade unseren Hass. Aber ohne diese Emotionen säßen wir immer noch auf dem Sofa und schauten zu, wie die Gesellschaft Richtung Abgrund rast…

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