#Demokratievereint stärken und schützen!

Die Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche, in der faschistische Deportationspläne aufgedeckt wurden, hat an mancher Stelle die Diskussion über den Zustand der Demokratie in Deutschland aufleben lassen. In einem hörenswerten Beitrag bei deutschlandfunk stellte der Politikwissenschaftler Claus Leggewie dazu die Diagnose:

„Das demokratische Deutschland pennt. Alle sind mit ihren Dingen beschäftigt und merken nicht, was läuft.“

Menschen, die diese Einordnung teilen, haben in mehreren Städten zu Demonstrationen aufgerufen und andere aufgefordert, ihrem Beispiel zu folgen. Weshalb ich u.a. für den 21.01.2024 auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg um 15 Uhr eine Versammlung bei der Stadt angemeldet habe, zu der hiermit alle Demokrat*innen aus Freiburg und der Region eingeladen sind. Hier findet man nähere Infos zum Programm.

Solidarität

Das Kernziel der Versammlung ist, dass möglichst viele Bürger*innen sich deutlich zur Demokratie bekennen, den öffentlichen Raum einnehmen und sich und ihre Haltung sichtbar machen. Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir Solidarität. Es ist nicht so, dass Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte (sprich über 20 Millionen in Deutschland), die es gewohnt sind, aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, Religion oder sonstiger äußerer Merkmale diskriminiert zu werden, von den Deportationsplänen überrascht wurden. Es gehört zu ihrem Alltag und ist eine fremdbestimmte Aufgabe, damit umgehen zu lernen, dass eine Partei, die im Bundestag sitzt bzw. ihr Fraktionssprecher solche Dinge sagt:

Wir können die [Migranten] nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“

Wer die AfD wählt, wählt genau das. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Deshalb schließen sich die faschistischen Deportationspläne vom Potsdam-Treffen an ein systematisches Vorgehen und lange Reihe von menschen- und demokratiefeindlichen Ideen, die auf einem Nährboden von konstruierter Angst und geschürtem Hass gedeihen sollen. Und doch ist dieses Mal anders. Vielleicht liegt es an der weltweiten politischen Entwicklung der letzten Jahre, in der vermehrt Autokraten drohen an die Macht zu gelangen oder es bereits sind. Vielleicht liegt es an den drei Landtagswahlen, die 2024 anstehen, bei denen die AfD aktuell die höchsten Umfragewerte hat und in zweien davon vom Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Vielleicht liegt es auch am lauten Schweigen dazu, von zu vielen Menschen, die denken, sie würde das alle nicht betreffen oder das sei gar nicht so dramatisch. 

Es wird immer wieder auch von der “schweigenden Mehrheit“ gesprochen, dass nur Wenige sehr laut seien, diese aber mit ihren extremen Positionen die realen Verhältnisse erfolgreich verzerren würden, weil sie zusätzlich durch die Aufmerksamkeitsökonomie medial verstärkt würden. Das mag weiterhin alles zutreffen. Nur sicher bin ich mir nicht mehr, auch nicht bezüglich meiner Zukunft in diesem Land. Fragt eure Freunde und Bekannten „mit Migrationshintergrund“ wie es ihnen geht. Fragt sie, ob und was sie bereits planen zu tun, wenn sich die Lage in Deutschland weiter verschärft. (Das ist übrigens nicht mit einer Episode von „Goodbye Deutschland! Die Auswanderer “ bei Vox gleichzusetzen, weil ich das in Kommentarspalten sozialer Netzwerke gelesen habe. Es bedeutet, dass Menschen aus ihrem sozialen Umfeld entwurzelt werden, fliehen und ihr Zuhause hinter sich lassen müssen. Die belastenden Auseinandersetzung mit dieser Idee, finden schon statt. Mit Folgen.) Für diese Menschen wäre es ein klares Zeichen der Solidarität, zu den Demos zu gehen und sich darüber hinaus solidarisch zeigen.

Freiheit

Die CORRECTIV-Recherche zeigte auf, was lange bekannt ist: dass es nicht die AfD allein ist, die faschistisches Ideen verwirklichen möchte, sondern sich im Hintergrund gut vernetzte Vermögende, Mittelständler, bürgerliche und universitäre Kreise, Personen aus der Wirtschaft, Vereinen, Stiftungen und Hochschulen sich kümmern und solche Pläne unterstützen. Sie wollen die Demokratie gezielt schwächen, indem sie Wahlen anzweifeln, das Verfassungsgericht diskreditieren, andere Meinungen zurückdrängen und öffentlich-rechtliche Medien bekämpfen. Es ist ein Netzwerk aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und bedroht alle Demokrat*innen. Weshalb nur ein breites antifaschistisches Bündnis die Antwort darauf sein kann. Dieses benötigt u.a. ein geschlossenes Vorgehen demokratischer Parteien, worauf die Sozialpsychologin Pia Lamberty in diesem Interview verweist:

„Demagogen und autoritäre Kräfte gibt es in der Geschichte demokratischer Parteien immer wieder. Wie erfolgreich und einflussreich diese Gruppierungen werden können, liegt auch daran, wie sehr sich demokratische Parteien dem entgegenstellen, wie klar die roten Linien sind, die gemeinsamen Anstrengungen, diese antidemokratischen Gruppierungen zu isolieren.“ 

Es ist aber auch notwendig, dass Unternehmen, Institutionen, Vereine oder sonstige Gruppierungen und Personen ihre demokratische Verantwortung anerkennen und wahrnehmen, solange das möglich ist. Die Freiheit aller steht auf dem Spiel, auch wenn die Auswirkungen noch nicht für alle erkenn- und spürbar sind. Die Zeit wird dafür immer knapper und der Handlungsdruck steigt. Es braucht jetzt ein Aufbäumen der demokratischen Zivilgesellschaft, die gemeinsam erarbeitet, wie es besser gelingen kann, eine Demokratie zu schützen und zu stärken. Auf Bundes-, Landes- und vor allem auf kommunaler Ebene. 

Demokratie und Digitalität

Was nach der Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche zuerst mit einzelnen Social Media-Beiträgen im Netz begann, in denen Personen auf diversen Kanälen Aufzählungen teilten, in welcher Stadt es wann eine Demonstration geben soll, mündete irgendwann als Kalender gebündelt auf dieser Website. Infos zur Versammlung in Freiburg werden andere und ich unter dem Hashtag #DemokratieVereint in unterschiedlichen sozialen Netzwerken teilen. Die Idee des Hashtags ist aber größer.

#DemokratieVereint

Wer Hilfe benötigt oder etwas lernen möchte, findet beides im Netz. Weshalb nicht diese Funktion noch stärker nutzen? Wie wäre es, wenn Bürger*innen gemeinsam an konkreten Ansätzen arbeiten, wie die Demokratie gestärkt und geschützt werden kann? Kurz- und langfristig. Wie wäre es, wenn möglichst viele dauerhaft ihr Wissen, ihre Perspektiven und Ressourcen im Netz miteinander teilen und sie mit dem Hashtag #DemokratieVereint transparent und zugänglich machen würden? Es gab schon andere Hashtags, die zu vielen Einblicken, Erkenntnissen und Netzwerken geführt und gesellschaftliche Debatten ausgelöst haben. Weshalb keine horizontale, demokratische Bewegung, die durch einen Hashtag verbunden und sichtbar wird? 

Es gibt bereits viele Vereine, Initiativen, Bündnisse und sonstige Gruppierungen und Personen, die über Expertise verfügen, wie eine Demokratie gestärkt und geschützt werden kann. Es gibt auch zahlreiche Plattformen und Angebote im Netz, die sich damit befassen. Und doch sind sie vielen nicht bekannt und vernetzt. Ein gemeinsamer Hashtag könnte transparent machen, was vorliegt, nötigt und gewünscht ist oder gesucht wird. Weshalb nicht die soziale Netzwerke gemeinsam mit Solidarität fluten? Das könnte auch die Frage klären, was man nach oder am besten auf einer Demo macht: Verbündete suchen, sich austauschen und vernetzen.

Aus einem Gespräch mit einer befreundeten Psychologin habe gelernt, dass man sich in Krisenzeiten schnell vom gewaltigen und komplexen Aufgabenberg überwältigt fühlt und nicht weiter weiß und dass es dann hilft, zu überlegen, welchen Beitrag man selbst leisten kann. Sei er noch so klein. Denn jeder Schritt ist eine Handlung, die einem wieder das Gefühl von Kontrolle gibt. Mit diesem Beitrag hoffe ich einige, kleine und große nächste Schritte aufgezeigt zu haben. Zur Demo gehen ist einer. Gute Bücher, Videos, Fragen, Ideen oder sonstige Beiträge, die helfen könnten eine Demokratie zu schützen und zu stärken, mit dem Hashtag #DemokratieVereint teilen ein anderer. Mit der Familie, Freunden und Bekannten darüber zu diskutieren, wie für alle Menschen ein würdevolles Leben erreicht werden kann, ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag. Wir auch immer der nächster Schritt aussehen mag, wünsche ich allen Demokrati*innen viel Erfolg dabei: #DemokratieVereint.

14 Comments

  1. Super, lieber Dejan!
    Alles erdenklich Gute im 2024, und Kreativität beim Noten abschaffen :-)
    Soll kein friendly fire sein…ich würde mich freuen und bis dahin vergebe ich sie homöopathisch oder wenigstens nachvollziehbar :-)

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  2. Wenn die AFD in einem Bundesland in die Regierung gewählt wird, bricht ein Damm, dann fällt ein Bundesland nach dem anderen, dann verkaufe ich meinen Besitz und wandere aus.

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    1. Was für ein Unsinn! Was sind Faschisten? Einfach mal googeln: Ab den 1920er Jahren wurde der Begriff für alle ultranationalistischen, nach dem Führerprinzip organisierten antiliberalen und antimarxistischen Bewegungen, Ideologien oder Herrschaftssysteme verwendet, die seit dem Ersten Weltkrieg die parlamentarischen Demokratien abzulösen suchten. UND JETZT DIE PREISFRAGE: Auf welcher Seite des politischen Spektrums sind die in eutschland zu finden. Kleiner Tipp: nicht links!

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  3. Hallo, ich komme auf jeden Fall!! Es ist so wichtig. Danke für das organisieren. Am Mittwoch bei der Kundgebung war der Ruf „Freiburg hasst die AfD“ sehr stark, was ich ungünstig fand , die Spaltung stärkt. Es sollte doch eine Demonstration gegen den Rassismus, gegen die Ausländerfeindlichkeit und gegen den Hass sein, mit dem die AfD arbeitet. Gibt es einen hilfreicheren Ruf, mit dem die Initiatorinnen und Initiatoren einstimmen können? Das fände ich sehr wichtig. Danke euch!

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    1. Vielen Dank dafür, das Thema hier auszusprechen!

      Ich fand das am Mittwoch auch sehr befremdlich und geradezu gruselig, in einer Menge mit Tausenden von Leuten zu stehen, die eine Hassbotschaft brüllt. Einerseits wurde zuerst davon gesprochen, dass wir mit Menschen in unserem Umfeld reden müssen und danach wird gebrüllt, dass wir sie hassen. Mich beschäftigt es sehr, wie ich diese Menschen in meinem Umfeld erreiche, aber wenn sie solche Videos von der Demo erhalten, führt das nur zu weiterer Spaltung und Bestätigung. Als Gegenargument zu differenzieren, dass hier eine Partei und keine Individuen gehasst werden, scheint mir haarspalterisch und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Differenzierung von der anderen Seite so wahrgenommen wird. Hass ist das Mittel der Rechten, wir sollten uns klüger als sie benehmen.

      Zweitens finden diese Demos doch genau deshalb statt, weil nicht „ganz Freiburg“ (der Spruch war „Ganz Freiburg hasst die AfD“) die AfD ablehnt. Es ist doch gerade das Problem, dass dem nicht so ist. Sich anzumaßen, als Gruppe der Demonstrierenden für alle Freiburger*innen zu stehen, ist m. E. plump und undemokratisch. „Wir sind das Volk“ brüllen schon die Idioten. Wir sind divers, wollen es sein, wollen streiten und reden.

      Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Redner*innen am Sonntag diesem Schlachtruf nicht zustimmen würden und eine andere Botschaft als Hass skandieren würden.

      Bis Sonntag! Nie wieder ist jetzt!

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  4. Danke für das Engagement. Wir waren heute dabei und es herrschte eine so freundliche und friedliche Atmosphäre. Eine französische Familie, die auch dabei war, äußerte sich überrascht über die kaum wahrnehmbare Polizeipräsidium. Meine Antwort – Wir kommen zusammen in Frieden gegen den Hass. Gibt es zur Veranstaltung am 24.2. schon nähere Details?

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