Barcamps – Eine Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel?

Letzte Woche fand in Hamburg die Edunautika statt. Ein Barcamp zu zeitgemäßer Pädagogik im digitalen Wandel. Lisa Rosa erklärte dort in ihrer Session Reformpädagogik und Digitalität sind Geschwister, weshalb das Netz und die Reformpädagogik zusammenpassen und nannte u.a. Gemeinsamkeiten wie Offenheit, Selbstbestimmung, reflektierendes Learning by Doing, Kommunikation und Zusammenarbeit. Vieles davon trifft aus meiner Sicht auch auf ein Barcamp zu; was es für mich attraktiv macht, auch weitere Reisen auf mich zu nehmen. Seitdem sich die Angebote dazu mehren, werden auch kritische Stimmen immer lauter und fragen nach dem Vorteil eines Barcamps im Vergleich zu anderen Formaten. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich die Frage aus Sicht eines Teilnehmers (oder wie man in Barcamp-Kreisen sagt Teilgebers) und Veranstalters ausführlicher beantworten und mögliche Missverständnisse bzw. falsche Erwartungen klären.

Was spricht für ein Barcamp?

2018 03 17 - Barcamp Freiburg - Fotos von Fionn Grosse- 90543603Ein Barcamp ist mehr als „nur“ ein anderes Format. Wenn man Veranstaltungsformate systemisch betrachtet, kann man beobachten, welche Relevanz sie beispielsweise auf die Kommunikation, Zusammenarbeit und besonders auf das Selbst- und Gruppenverständnis der Anwesenden haben. Wenn man seine Fragen nicht stellen kann und woran man arbeitet nicht mitgestalten und -bestimmen kann, wirkt sich das auf die einzelne Person und Gemeinschaft aus. Die digitale Transformation, in der sich die gesellschaftliche (und wirtschaftliche) Ordnung grundlegend verändert, bedingt bzw. erfordert auch einen kulturellen Wandel. In einer immer komplexer werdenden Welt, müssen Räume geschaffen werden, in denen Menschen mit unterschiedlichem Wissen und Perspektiven auf Augenhöhe zusammenfinden können, um gemeinsam Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen. (Das ist eine dieser Aussagen, bei denen meist Leute zwar beim Lesen nicken, aber die Tragweite der Forderung nicht die nötige Zeit erhält, um sich angemessen gedanklich zu setzen. Ich kenne nämlich kaum Räume, in denen das ermöglicht wird.) Ein Barcamp scheint mir darauf eine mögliche Antwort zu sein. (Dass beim Barcamp Lernräume in Freiburg 24 Partner aus verschiedenen Bereichen mit an Bord waren, war kein Zufall.) Zu jedem Zeitpunkt entscheidet eine Person selbst, ob und wie sie sich bei der Programmerstellung oder in einer Session einbringen möchte und ob sie beispielsweise eine Session verlässt bzw. wechselt. Dieses hohe Maß an Freiheit und Flexibilität, führt auch zu einer ständig wechselnden Rolle zwischen Lehren und Lernen. (Bei einem Barcamp als schulinterne Fortbildung können so, im Vergleich zu klassischen Fortbildungen, vorhandene Potenziale genutzt und wertgeschätzt werden.) Günstige Bedingungen für kollektive Intelligenz. Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Meine Sympathie für Barcamps resultiert nicht aus Vorteilen gegenüber anderen Formaten, sondern aus der Suche nach Konzepten und Antworten auf den gesellschaftlichen Wandel.

Es gibt kein Barcamp-Gütesiegel

Weil bei Barcamps das Programm von den Anwesenden vor Ort erstellt und die Sessions geführt werden, muss man sie bei einer Analyse und Bewertung differenziert betrachten. Gibt es einen thematischen Rahmen und wie weit bzw. eng ist er gefasst? Wie bunt oder fachspezifisch ist die Zusammensetzung der Menschen? Wie viele Leute verfügen über Barcamp-Erfahrung und wie viele nicht? Wer sind die Veranstalter und mit welchem Ziel? Auch die Räumlichkeiten, Moderation, Verpflegung oder die benutzen Informationskanäle spielen eine Rolle, wie ein Barcamp verläuft. Durch das Duzen oder dass jede Person sich jederzeit gleichermaßen einbringen kann, versucht man bei Barcamps Voraussetzungen für Begegnungen auf Augenhöhe zu schaffen. Letztendlich hängt das aber von der Einstellung bzw. Bereitschaft der Menschen vor Ort ab. Das Gleiche gilt für die Vielfalt und Qualität der Sessions. Wenn sich ein Barcamp von einem klassischen Veranstaltungsformat nicht unterscheidet, liegt das in der Regel daran, dass die beurteilende Person selbst nicht vor Ort war oder dass es als Barcamp geplant, aber nicht gelebt wurde. Ein gelungenes Barcamp erkennt man meiner Erfahrung nach am Kommentar von Erstteilnehmenden, dass man es nicht beschreiben kann, sondern erleben muss. In diesem Sinne möchte ich mit einem Gedanken von Toni Morrison abschließen: „If there’s a book that you want to read, but it hasn’t been written yet, then you must write it.“ Übersetzt für Barcamps oder deren Sessions bedeutet das: „Wenn es ein/e Barcamp/Session gibt, an dem du teilnehmen möchtest, es/sie aber noch nicht angeboten wurde, musst du es/sie selbst anbieten.“

Ergänzung

Im Bildungstalk Perlen von den Säuen haben hier Andreas Hofmann, Solveig Schwarz, Philippe Wampfler und ich über einige der Fragen zum Thema Barcamp, die im Netz und den Kommentaren zu diesem Blogbeitrag formuliert wurden, kontrovers diskutiert.

8 Comments

  1. »Raum in dem Menschen mit unterschiedlichem Wissen und Perspektiven auf Augenhöhe zusammenfinden können, um gemeinsam Ideen zu entwickeln und sich auszutauschen« – das gefällt mir als Ziel sehr gut. Meine Skepsis betrifft die Frage, ob sich das skalieren lässt. Ich bin völlig bei dir, wenn wir über Teams sprechen, die im Alltag zusammenarbeiten und statt sich von externen Menschen in Referaten belehren zu lassen, ein Barcamp veranstalten.
    Wenn aber eine größere Kiste wie die Edunautika durchgeführt wird – und klar, ich spreche absolut von außen, ich war nicht da und will auch gar nicht Kritik daran üben, mehr eine Frage stellen: Sind dann nicht andere Voraussetzungen vorhanden? Gibt es nicht Leute, die nur anreisen, weil sie eine Session abhalten wollen? Und andere, die einfach mal zuhören und zuschauen wollen? Und sind die geplanten Sessions nicht doch oft sehr nahe bei einem klassischen Vortragsstil (viel Redezeit bei einer vorbereiteten Person, weniger Redezeit bei vielen nicht so vorbereiteten Personen)?
    Wenn das so ist bzw. wäre: Dann stellt sich für mich die didaktische Frage, wie man mit dieser fehlenden »Augenhöhe« (ich mag den Begriff immer weniger) umgeht. Die Gefahr besteht darin, dass eine gemeinsame Sessionplanung dann wie eine Simulation eines bottom-up Prozesses aussieht, weil Mitbestimmung zwar theoretisch möglich ist, aber echte Mitbestimmung dazu führen muss, dass
    1.) extra angereiste, gut vorbereitete Fachleute auf der Veranstaltung keine Session abhalten können und deswegen frustriert sind (oder nicht den optimal eingerichteten Raum dafür vorfinden, nicht entschädigt werden etc.)
    2.) die Leute aus 1.) gar nicht mehr anreisen
    3.) die Sessionplanung nur vorgibt, Mitbestimmung zu ermöglichen, es aber eigentlich nicht tut
    Das ist die kritischere Sicht. Die positivere wäre für mich, dass die Haltung entscheidend ist – auch wenn sie vielleicht nicht durchgehend umgesetzt werden kann, wirkt sie sich auf die Gespräche neben den offiziellen Gefässen aus, führt zu einer anderen Diskussionskultur, begünstigt Austausch und Verantwortung für alle. Niemand zieht sich ein Barcamp rein, alle müssen es tragen.
    Mein Fazit: Kleine Barcamps in Teams, die von der gemeinsamen Entwicklung von Ideen gleichermaßen betroffen sind – davon bin ich völlig überzeugt. Große Barcamps: Nicht so sicher.
    (Und da ich nun schon so viel geschrieben habe, kann ich auch gleich meine Kritik an *Augenhöhe* einbringen: Der Begriff bedeutet doch wörtlich, dass ich in die Knie gehe, um mit einem Kind zu sprechen – ihm in die Augen sehe. Er impliziert, also, dass sich jemand zu jemand anderem runterlässt. Konkret könnte ich mit Deutschlehrpersonen über digitale Lernwerkzeuge so sprechen, als hätte ich erste Erfahrungen gemacht, als wäre ich kein Fachmann, sondern einer von ihnen. Dann würden wir Ideen austauschen, aber auch ganz viele langweilige Bedenken und Anekdoten. Es kämen Fragen auf, die aber niemand richtig beantworten kann, weil wir ja alle auf Augenhöhe sprechen und ich meine Erfahrung nicht in Spiel bringe. Das käme mir als seltsames Spiel vor. Deshalb müsste ich auf Augenhöhe über ein Thema sprechen, bei dem ich keinen Vorsprung habe: Also zum Beispiel über den Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die psychische Probleme haben. Davon kann ich ein bisschen erzählen, ich habe schon Dinge ausprobiert, bin gescheitert, kann Anekdoten erzählen. Aber dann kommen wir doch schnell an einen Punkt, wo wir uns wünschen, eine Psychiaterin würde mal erzählen, wie man mit depressiven Menschen an einem Gymnasium umgehen soll, wie sie Leistungsdruck begegnen und wie Absenzen zu begründen sind. Nur: Diese Person spricht dann nicht auf Augenhöhe mit uns, sondern mit Expertise. Gerade das wollen wir ja. Nur halt selbstbestimmt: Wir müssten im Prozess auf die Idee kommen, dass wir gerade das hören wollen, was sie zu sagen hat. [Und wenn *Augenhöhe* »nur« meint, dass man Menschen Raum gibt, eigene Entscheidungen zu fällen, frei zu sprechen und sie wie Menschen behandelt und respektvoll mit ihnen spricht – dann müssen wir wohl nicht darüber sprechen.])

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  2. Zur Kritik am Begriff „Augenhöhe“: Von einer der vielen Ausbilderinnen, die ich haben durfte, ist folgender Satz überliefert: „Entweder Du lässt mich jetzt runter vom Sockel. Oder Du kommst einfach zu mir rauf.“ – Die Frau hatte btw extrem viel „Expertise“.

    Ich denke, der vermeintliche Widerspruch zwischen „Laien und Unerfahrenere auf Augenhöhe einbeziehen“ und „Experten angemessen zu Wort kommen lassen“ löst sich ohne all zu großen Schmerz auf, wenn wir uns klar machen, dass „Experte“ nur heißt: „Mensch, der sich mit einer Sache etwas länger befasst hat als der Durchschnitt und der zu dem Thema schon viele verschiedene Meinungen gehört hat“.

    Dabei bleibt klar, dass ausnahmslos jeder Mensch „Experte für sein eigenes Leben ist“. Überall, wo Experten und vermeintliche Nicht-Experten sinnvoll aufeinander treffen, wird diese Expertenschaft des vermeintlichen Nicht-Experten gewürdigt.

    Plakatives Beispiel: „Arzt-Patienten-Kommunikation“: Der Arzt hat theoretisches Wissen über Krankheiten und ihre Heilung erworben, dazu praktische Erfahrung in der Behandlung von Patienten und damit auch den unmittelbaren Vergleich zwischen Patienten (auf wen wirkt wann was wie). Der Patient ist aber Experte dafür, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag mit DIESEM Körper herumzulaufen. Das ist Wissen, das kein Arzt der Welt haben kann. Bei guten Behandlungen bilden Arzt und Patient ein „Dreamteam“, indem sie sich die Hand reichen und die wechselseitige Expertise anerkennen.

    Wir kommen aus einer Welt und leben in einer Welt, in der die „Fachexpertise“ sehr viel Anerkennung gewöhnt ist. Die Lebensexpertise jedes Einzelnen jedoch systematisch verkannt und nicht gehört wird.

    Das ist m.E. auch der Hauptgrund, warum sich jemals ein so großer „Alternativmedizinbereich“ herausbilden konnte: Weil Ärzte immer noch oft denken, sie könnten mit Verweis auf ihre Fachexpertise (die unzweifelhaft gegeben ist) die Lebensexpertise der Menschen, die sie behandeln, aus der Behandlung ausklammern. Das frustriert, ist unproduktiv und führt unnötigerweise dazu, dass Menschen sich vom regulären medizinischen System abwenden und ihm nicht mehr vertrauen.

    Für Experten ist es im ersten Schritt anstrengend, dass sie Menschen ernst nehmen müssen, denen sie an Fachwissen ja tatsächlich oft himmelweit voraus sind. Der Austausch, der Kontakt und auch die unmittelbare Beratung wird aber auch für sie wesentlich produktiver, wenn sie erkennen, dass Fachexpertise eben nur ein Teil des Prozesses und nicht alles ist.

    Nach meinen bisherigen Erfahrungen leisten Barcamps eben genau das, wenn sie gut aufgesetzt und anmoderiert werden: Experte bekommen ganz natürlichen Raum, ihre Fachexpertise einzubringen. Und die Lebensexpertise aller bekommt ebenfalls Raum. Daher kommt mir das im Kommentar aufgeworfene „Problem“ ziemlich konstruiert vor

    Um konkret zu werden: Da in Barcamps der Regel „das Gesetz der zwei Füße“ gilt, kann ich als Teilgeber in der Regel einfach gehen, wenn mich die Session eines Experten entweder fachlich doch nicht interessiert oder wenn der Experte zwar ein ausgewiesener Fachmensch ist, aber einfach nur sein Programm runterspult, ohne auch nur im Geringsten auf die konkreten Anwesenden einzugehen und in Dialog zu treten.

    Gleichzeitig werden auch Nicht-Experten, z.B. Menschen, die einfach „Fragen in den Raum stellen wollen“ oder die sich mit Gleich-Ahnungslosen austauschen wollen, ermutigt, eigene Sessions anzubieten. Die kann ich, falls ich Experte bin, systematisch meiden, wenn mich Austausch auf dieser Ebene einfach langweilt und mir nichts gibt.

    Im Grunde leisten Barcamps damit einfach Folgendes: Jeder kann sich mit jedem austauschen, wann er es will, wie er es will und mit wem er es will. – Und wenn ihm dabei etwas fehlt, kann er sich überlegen, wie er eine eigene Session anbieten kann, damit auch er kriegt, was ihm gerade fehlt.

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    1. Mir ist schon klar, dass es verschiedene Formen von Expertise gibt. Aber ich bin nicht einverstanden, dass sich Expertise auflöst, es sie nicht mehr gibt in einer neuen Welt. In verschiedenen Bereichen meiner Arbeit brauche ich Leute, die von Dingen wirklich etwas verstehen: Ich brauche Unterstützung bei grafischem Design, bei der Programmierung von Tools, bei juristischen und medizinischen Fragen in meiner Arbeit. Wenn ich einer Juristin eine Frage zu Datenschutzproblemen stelle, dann braucht sie keinen Sockel und ich muss nicht zu ihr rauf: Ich verstehe davon wenig, sie viel. Ich habe Fragen, sie Antworten. Wenn wir also auf einer Edu-Veranstaltung unter Laien über Datenschutz reden (was sehr, sehr oft passiert), dann mag das auf Augenhöhe geschehen: Aber halt auch ohne wirklich Expertise. Zu sagen, ich könne dann eine eigene Session anbieten, hilft mir ja nicht weiter: Ich verstehe immer noch nichts davon. Ich brauche die Juristin, die Edu-Kontexte kennt und die Erfahrung in der rechtlichen Praxis hat. Und die kommt halt nur, wenn sie einen gut vorbereiteten Raum, ein interessiertes Publikum und eine Entschädigung bekommt.
      Mir ist bewusst, dass ich sehr konservativ klinge, wenn ich das sage. Und ich verstehe auch, dass wir zunehmend Probleme in der Welt vorfinden, wo Perspektiven und Erfahrungen wichtiger sind als Expertise. Aber ich glaube, es hilft nichts so zu tun, als gäbe es keine Expertise. Wir müssen gute Settings schaffen, wo alle Formen von Expertise Raum finden – ich denke, da sind wir uns einig. Meine kritische Frage sagt: Ich bin nicht sicher, ob Barcamps wirklich Expertise von Spezialistinnen und Spezialisten einbinden können. Die Antwort darauf ist wahrscheinlich, dass das gar nicht das Ziel von Barcamps ist, und das ist auch gut so. Nur würde das halt heißen, dass Barcamps z.B. wissenschaftliche Tagungen nur bedingt ablösen können.

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      1. Hm. Da ich selbst wohl mittlerweile „Experte“ für eine ganze Menge Themen bin kann ich das Gesagte eigentlich nun um so weniger nachvollziehen. Ich hab eigentlich immer viel gelernt, wenn ich an BarCamps teilgenommen habe und das Fehlen eines „offiziellen“ Expertenstatus sorgt dafür, dass man wach und frisch bleibt, mehr zuhört und selber mehr Anregungen bekommt.

        Ich könnte Deine Sorge für mich eher in Fragen transformieren:
        – Was will ich mit einem Barcamp erreichen? (als Veranstalter)
        – Was will ich mit meiner Teilnahme an einem Barcamp erreichen? (als Mensch, der sich für einen Experten im Bereich XYZ hält)
        – Was will ich mit meiner Teilnahme an einem Barcamp erreichen? (als Mensch, der v.a. Fragen hat bzw. der glaubt, dass er über keinerlei Expertise über gar nichts verfügt)

        Für den konkret geschilderten Fall: Ich brauch grad dringend juristisches Wissen über Datenschutz, les ich Artikel, Bücher oder engagier mir für Geld nen Profi.

        Wo ist das Problem?

        Ich muss vielleicht auch sagen, dass ich an SO vielen klassischen Tagungen teilnehmen durfte/musste dass ich als Mensch für diese Form wahrscheinlich für den Rest meines Lebens „verbrannt“ bin. Ich hab einfach keine Geduld mehr, mir Menschen mit oft all zu großem Ego, die sich allzu gerne Reden hören anzuhören, die sich aber leider zufällig durch ihren durch das Tagungsformat offiziellen „Expertenstatus“ genau dazu ermutigt fühlen.

        Da sind mir BarCamps lieber, denn da suche ich mir einfach eine andere Session, die mir anregender erscheint oder wo ich selber mehr beitragen kann, wenn eine Session doch mal zu sehr verseucht ist durch Menschen, die allzu viel über alles mögliche zu wissen glauben und dadurch das Wissen der anderen zum Schweigen und zum Verstummen bringen.

        Das ist übrigens auch mein generelles Problem mit dem „System Schule“ in seiner derzeitigen Form: Für Wissenserwerb brauche ich das nicht mehr. Eher für Resonanz, also emotionalen Austausch. Formen des Lernens, die menschliche Interaktion benötigen, bei denen ich im Grunde höhere Sozialkompetenzen erwerbe, demokratische Grundtugenden und den Umgang mit Menschen im Allgemeinen – Wissen dagegen ist durch das Netz entwertet, weil inflationär geworden. Wenn es wirklich nur um Wissen geht, brauche ich dafür heute weder Schule noch Tagungen: Das kann ich mir heute jederzeit selber „ziehen“. Wenn nicht kostenlos aus dem Netz, dann über ein gekauftes Buch. Und zur Not halt eben über einen Profi, den ich engagiere.

        Kurz und gut: Ich freue mich, wenn Tagungen mit ihrer ermüdenden Langatmigkeit und fehlenden Zugeschnittenheit auf die realen menschlichen Fragen und Bedürfnisse im Raum aussterben. Ich glaube, dass das aufgrund der reinen Vorhandenheit des Netzes einfach zeitgemäß und vielleicht sogar überfällig ist.

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        1. Ich habe kein Problem damit, dass Menschen Barcamps besuchen – im Gegenteil. Ich finde das großartig und eine gute Chance. Aber es gibt nicht nur Barcamps und starre Tagungen mit überheblichen, eingebildeten Expertinnen und Experten auf einem Sockel. Ich kann deine Kritik vollständig nachvollziehen. Aber meine kritischen Fragen fordern nicht eine schlechte Tagung ein. Sie sagt: Es gibt hinter dem Experten-Status Expertise, Erfahrungen, Können. Die müssen an einem Barcamp vorhanden sein. Und sind wohl oft auch. Aber skaliert die Organisationsform? Haben große Barcamps nichts schon eine Art versteckte Sessionplanung, bei die großen Namen automatisch zu ihren Sessions kommen? Aber wir werden darüber ja heute Abend sprechen.

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  3. Ich werde nie welche Veranstaltung auch immer mit der Absicht besuchen, auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber zu sein. Gleich Philippe Wampfler bin auch ich der Meinung, wenn „… Augenhöhe »nur« meint, dass man Menschen Raum gibt, eigene Entscheidungen zu fällen, frei zu sprechen und sie wie Menschen behandelt und respektvoll mit ihnen spricht – dann müssen wir wohl nicht darüber sprechen.“
    Ob ich ein Konzert besuche, ein Buch lese oder in einem Workshop lerne, wie Pages auch als Padlet-Alternative verwendet werden kann – in keinem der Fälle will ich, dies wohl selbsterklärend!, auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber sein.

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  4. Ich habe mir das Gespräch (https://youtu.be/FNuPRsEeE8g) lückenlos angehört. Das Barcamp in Freiburg war das erste, und vermutlich auch das letzte Barcamp, das ich besucht habe. Seit Jahren und wohl auch weiterhin vermisse ich Formate / Tagungen / Konferenzen, auf die ich mich nicht nur vorbereiten will, sondern muss. Ich will mit Leuten zusammenkommen, die sich gleich mir auf ein vorbestimmtes Thema vorbereitet haben. Ich will mit diesen Leuten zusammen die Lösungen präsentieren, diskutieren, reflektieren oder was immer. Weil es diese Formate wohl auch weiterhin nicht gibt, besuche ich sie einfach so nach dem Lust- und Laune Prinzip.
    Und irgendwann einmal gibt es eine Schule, in welcher die SuS die Lernorte, Lernzeiten und Lernpartner zumindest mitbestimmen können/dürfen. In welcher die SuS wissen, was wann mit wem auf sie zukommt. In welcher sie sich darauf vorbereiten können/müssen.

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