Digitale Transformation – Eine Frage der Haltung

In den letzten Jahren habe ich mich unterschiedlichen Wirkungskreisen angeschlossen und zunehmend Ressourcen dahingehend investiert, den Kulturwandel (Digitale Transformation) zu diskutieren, um ihn zu verstehen und Ansätze zu entwickeln, wie gesellschaftliche Lösungen aussehen könnten. Dabei begegne(te)n mir immer wieder Aussagen wie, dass der Zug schon lange abgefahren oder Deutschland abgehängt sei. Auch wenn es viele gute Gründe geben mag, mit den bisherigen Entwicklungen rund um den digitalen Wandel unzufrieden zu sein, halte ich solche Aussagen strategisch (aus der Sichtweise der Personen, die etwas daran ändern möchten) und inhaltlich für verkehrt. Der Kulturwandel erfordert eine Haltung, die von einer gestaltenden und nicht einem vermeintlichen Schicksal sich ergebenden Gesellschaft ausgeht.

Aus der Perspektive derer, die sich engagieren, dass Fragen des Kulturwandels endlich gesamtgesellschaftlich ankommen, sind Aussagen, wie der Zug sei schon abgefahren, eine Dampfwalze, die über jede Bemühung rollt. Es wird dabei auch ein Bild vermittelt, dass Fortschritt ein Zug sei, der sich (linear) in einer Richtung bewegt, auf den man aufspringen kann oder nicht. Und wer das versäumt, scheint DIE Chance verpasst zu haben. Auf den ersten Blick tragisch und den zweiten fast schon erleichternd, weil man dann ohnehin nichts mehr machen kann. Weg ist weg. Eine Ausladung zur Handlung. Wenn die Digitale Transformation aber etwas ist, dann kein einzelner, linearer Erzählstrang. Sie ist eine komplizierte, unvorhersehbare, nie endende Geschichte, voller Verzweigungen und Verästelungen. Jeder beginnt und entdeckt sie für sich anders, weil sie nicht den einen, richtigen Anfang hat. Sie kann gelesen, erzählt und (mit)geschrieben werden. 

Bildschirmfoto 2018-09-22 um 19.34.32Der Kulturpessimismus ist nur eine Antwort auf den Kulturwandel und vermutlich deshalb auch so alt wie die Menschheitsgeschichte. Durch soziale Netzwerke wird er transparenter. Tempo und Dynamik eines gesellschaftlichen Wandels scheinen ihn zu verstärken. Wer Kulturpessimismus ablehnt ist aber nicht automatisch ein (Digital-)Euphoriker. Dirk von Gehlen schlägt in seinem Buch Das Pragmatismus-Prinzip den Kulturpragmatismus als einen Ansatz zwischen alles wird gut und früher war alles besser vor. Dabei geht es um die Haltung, Entwicklungen zuerst ergebnisoffen verstehen zu wollen, um daraus mögliche Lösungen oder auch keine zu entwerfen. Man geht davon aus, dass das Morgen gestaltet werden kann und kein Schicksalsprodukt ist. (In seinem lesenswerten Buch zählt auch zehn Gründe auf, weshalb wir gelassen der Zukunft entgegenblicken können.) Wenn also mal wieder jemand behaupten sollte, dass ein Zug bereits abgefahren sei, empfiehlt es sich mit Shruggie ¯\_(ツ)_/¯ zu antworten. Dem Symbol des Kulturpragmatismus, den ich im Sinne Gehlens mit „Ich weiß es nicht, möchte es aber herausfinden und dann schauen wir mal weiter“ zusammenfassen würde.

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