Ein Anfang
Immer mehr Lehrende machen sich auf den Weg, den digitalen Wandel mitzugestalten. Die sozialen Netzwerke bieten hierfür eine Plattform, um sich zu informieren, auszutauschen und zu vernetzen. Vor knapp vier Jahren habe ich einen Twitter-Account angelegt und mein Zuhause für Bildungsfragen entdeckt. (Mittlerweile habe ich einen Zweitwohnsitz bei Facebook und einen Drittwohnsitz bei LinkedIn.) Am Anfang haben mich das Tempo und die Dynamik überfordert. Aber bereits nach einigen Monaten und viel Unterstützung begann ich Tipps, Erfahrungen und Ideen zu sammeln, was man so zu Digitale Bildung machen kann. Die Grundbausteine meiner Vorstellung wurden gelegt. Ein Jahr später war ich nicht mehr nur Konsument und Beobachter, sondern begann mitzudenken, selbst zu experimentieren und meine Gedanken in einem Blog zu veröffentlichen. Mittlerweile weicht meine Auffassung von zeitgemäßer Bildung von der anfänglichen deutlich ab. Dabei verfolgt mich bis heute eine Fragen, mit der ich immer wieder konfrontiert werde und die ich nicht ausreichend beantworten kann: Wie führt man zielführend kontroverse Debatten (in sozialen Netzwerken)?
Wie führt man zielführend kontroverse Debatten (in sozialen Netzwerken)?
Wenn man einige Artikel gelesen, Workshops besucht, Vorträge gehört und Diskussionen über Bildung im digitalen Wandel geführt hat, stellt man fest, dass sich die Fragen und Antworten wiederholen. Das liegt in erster Linie daran, dass immer wieder neue Menschen hinzukommen, die den von mir in der Einleitung beschriebenen Prozess durchlaufen. Andererseits konnte ich aber auch beobachten, dass sich manche schneller und manche langsamer weiterentwickeln. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und müssten differenziert betrachtet werden. Der Konsens der Veränderungswilligen besteht lediglich darin, dass etwas geschehen muss. Über das Was und Wie lässt sich streiten. Und genau das halte ich für notwendig. In meiner Beobachterrolle der Anfangszeit habe ich am meisten aus den kontroversen Debatten gelernt, die ich bei Twitter oder über Blogbeiträge mitlesen konnte. Erst durch die Kontroversität wurde eine Vertiefung des Sachverhalts erreicht, die mir zu einem klareren Bild verholfen hat. Leider finden solche Debatten aus meiner Sicht noch zu wenig statt, was dazu führen kann, dass man sich in der Menge und Oberflächlichkeit der Beiträge verliert. Ein klärender Prozess, was Bildung im digitalen Wandel denn nun bedeutet, leisten kann, soll oder muss, wird durch das Umgehen dieser Diskussionen nicht in Gang gesetzt.
Wie führt man aber zielführend kontroverse Debatten (in sozialen Netzwerken)? Ich weiß es nicht. Zumindest beobachte ich einen Indikator, der einen solchen Verlauf begünstigt. Neben den offensichtlichen Aspekten, wie Kritikfähigkeit und Sachlichkeit, braucht es auch den Wunsch nach einer kritischen Auseinandersetzung. Mein Paradebeispiel hierfür ist (natürlich ein Schweizer) Philippe Wampfler. In meinem Umfeld kenne ich niemanden, der immer wieder so offen Kritik einfordert und sie als Möglichkeit sieht, seine Gedanken zu hinterfragen und zu schärfen. Kurz: Ob Menschen ernsthaft an Kritik interessiert sind, leite ich aus ihrem länger beobachtetem Verhalten ab. Wenn Personen nach x-facher Kritik, x Mal die Kritik als für unangebracht kommentieren, zweifle ich an deren Offenheit und Wunsch nach einer kontroversen Auseinandersetzung. Dass die Kommunikation über soziale Netzwerke eigenen Regeln und Herausforderungen unterliegt, macht es nicht leichter. Twitter spielt durch die Begrenzung auf 140 Zeichen hier eine Sonderrolle. Ich erlebe viele Lehrende, die sich gegenseitig unterstützen und ermutigen. Manche bilden sogar Gemeinschaften, die man unter den Hashtags #edupnx oder #BayernEdu findet, um als Ansprechpartner, für einen Austausch und Helfergruppe im Netz erkennbar zu sein. Wie kann man aber der Gefahr begegnen, dass vor lauter Lob, kein Raum mehr für berechtigte und notwendige Kritik übrig bleibt, um in der Sache voranzukommen? Ideen und Konzepte in Frage zu stellen, Gegenargumente zu formulieren und sich zu positionieren kostet Kraft und kann auch sehr unangenehm sein. Es ist aber notwendig, wenn wir in einigen Jahren nicht feststellen wollen, dass es eigentlich nichts Neues, nur viel mehr Leute im Netz gibt.
In eigener Sache
Weil meinen kritischen Beiträge nicht immer richtig interpretiert werden, möchte ich kurz dazu Stellung beziehen, weshalb, wann und mit wem ich eine kontroverse Debatte suche. Ich kritisiere grundsätzlich Konzepte, Ideen, Methoden, Tools oder Projekte und nicht Personen. Problematisch wird es, wenn beides zusammenfällt. Wenn zum Beispiel jemand über harte Arbeit und viel Zeit sich als Koryphäe einer Methode einen Namen gemacht hat, wird es unmöglich, die Methode zu kritisieren, ohne dass ein persönlicher Angriff vermutet oder empfunden wird. Ich differenziere auch bei meinem Gegenüber. Bei einem Neuling würde ich nicht (mehr) kritische Aspekte äußern und ihn eher ermutigen. Außer er würde von sich auch den Dialog suchen und danach fragen. Ich unterscheide auch über den Auftritt einer Person, ob ich ihr meine sehr direkte Art zutrauen möchte. Wenn jemand die große Bühne und das Rampenlicht sucht, rechnet die Person aus meiner Sicht auch damit, dass nicht nur Beifall von den Rängen kommt. Bei solchen Konzepten, Ideen, Methoden, Tools oder Projekten bin ich gründlicher in meiner kontroversen Betrachtung, weil ich mit wachsendem Publikum eine größere Verantwortung und Notwendigkeit der Kontroversität sehe. Natürlich mache ich dabei auch einige Fehler. Falls ich jemanden persönlich verletzt haben sollte, bedauere ich das und entschuldige mich hiermit dafür. Meine Interesse ist und bleibt in der Sache, die Weiterentwicklung einer Vorstellung, was Bildung im digitalen Wandel bedeutet, leisten kann, soll oder muss. Dafür hoffe ich auf möglichst viel kontroverse, sachliche und zielführende Debatten. (Ich verzichte übrigens auf gut gemeinte „Habt euch wieder lieb.“-Kommentare, weil sie a.) eine persönliche Ebene suggerieren oder sie dadurch auf diese heben, die ich nicht beschreiten möchte und b.) nicht mein Ziel einer kontroversen Auseinandersetzung widerspiegeln.)
Ich sehe das ähnlich wie Du: Wir brauchen einen kontroversen, öffentlichen Diskurs, bei dem möglichst viele Perspektiven eingebunden werden. Twitter sehe ich als Medium eher kritisch, weil es die Darstellung komplexer Gedankengänge und Argumente erschwert. Ich merke aber, dass die 280 Zeichen da schon eine Hilfe sind. Vielleicht verbessert das ja sogar die Diskussionskultur,
Dein Blog-Beitrag und die ein oder andere Twitter-Diskussion haben mich zu einen eigenen Blog-Beitrag zu Debatten über den Begriff Bildung veranlasst. Darin nenne ich vier aus meiner Sicht gute Gründe, warum wir mehr statt weniger Debatten über den Begriff Bildung brauchen: http://bildungsluecken.net/698-warum-lehrer-mehr-ueber-bildung-diskutieren-sollten
Kritik ist sehr willkommen.
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