Beiträge, die ich als Kolumnist für das Deutsche Schulportal verfasse, veröffentliche ich drei Wochen später auf diesem Blog, um meine Texte auf einer Website gebündelt zu haben.
Seit vielen Jahren gibt es eine kontroverse Debatte darüber, wie sich Unterricht und Lernen verändern müssen, wenn man kulturellen Wandel und digitale Transformationsprozesse berücksichtigen möchte. Der Blick auf die Aus-, Weiter- und Fortbildung kommt dabei oft zu kurz. Aber gerade hier stehen Veränderungen an. Deshalb plädiere ich dafür, sich vom Muster klassischer Fortbildungsveranstaltungen zu lösen und für die Lehrerfortbildung Social Media stärker zu berücksichtigen.
Fortbildungen laufen häufig immer noch nach einem klassischen Muster ab: Eine Person mit Expertise zeigt einigen Lehrkräften, wie etwas funktioniert. Diese kehren an ihre Schule zurück, stellen das Gezeigte dem Kollegium vor und sorgen so dafür, dass Wissen gesichert und multipliziert wird. Dieses Muster widerspricht der gut belegten Einsicht, dass diese Art des Transfers nicht funktioniert, weil sie oft gar nicht stattfindet oder die bestehenden Strukturen und Prozesse an Schulen nicht berücksichtigt werden. Deshalb sind systematische Ansätze notwendig. Auch digitale Fortbildungsformate folgen dem klassischen Muster. Das ist besonders tragisch, weil gerade das Netz ein enormes Potenzial für Lehrkräfte bietet, sich wirksamer und nachhaltiger fort-, weiter und auszubilden.
Wie kann die Lehrerfortbildung über Social Media funktionieren?
Betrachtet man die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte in den Bereichen rund um Digitalität und Bildung, lässt sich beobachten, dass sich Lehrende zunehmend in Social Media über Aktuelles aus Theorie und Praxis informieren. Sie publizieren hier auch eigene Erfahrungen und Erkenntnisse, tauschen sich aus und vernetzen sich. Auf diese Weise haben zahlreiche Lehrkräfte ein breites und vertieftes Wissen erworben, das keine Fortbildung leisten kann. Ein wesentlicher Unterschied liegt dabei nicht nur im veränderten Ablauf und in den neuen Möglichkeiten, sondern im Rollenwandel: Lehrkräfte verstehen sich in diesem Setting als proaktiv Lernende.
Attraktive Angebote unterstützen Lehrkräfte dabei, den Weg ins Netz zu gehen, es für sich zu entdecken, eine Kultur des Teilens zu erleben und sich in einer neuen Rolle wiederzufinden. So können sie einen Wandel der Haltung und des Berufsverständnisses begünstigen. Es müssen auf diesem Weg auch Ängste abgelegt und Selbstwirksamkeitserfahrungen gesammelt werden können. Und das braucht viel Zeit. Deshalb sollte dieser Prozess auch über einen ersten Termin hinaus begleitet werden. Twitter scheint sich hier in den vergangenen Jahren besonders bewährt zu haben. In diesem Netzwerk lassen sich viele Personen aus Wissenschaft und Praxis finden, die öffentlich kommunizieren und erreichbar sind.
Weil Fortbildungen immer auch Teil einer Schulentwicklung sein sollten, muss man sie von Beginn an systemisch denken. Sie benötigen in den Strukturen verankerte (Frei-)Räume, die Lehrkräften gestatten, die notwendige Zeit immer wieder investieren zu können. Sowohl für eigene als auch gemeinsame Reflexionen von Entwicklungen. Es geht beim Potenzial des Digitalen eben nicht nur darum, den Wissenserwerb und Austausch über die bisherigen Grenzen des eigenen Arbeitsumfeldes hinweg zu ermöglichen und zu suchen, sondern auch schulintern voranzutreiben und zu erhalten.
Im Netz gibt es viel Unterstützung beim Wissenserwerb
Um günstige Voraussetzungen für den beschriebenen notwendigen Rollenwandel bei Fortbildungen zu erreichen, müssen beide Seiten sich gleichermaßen verändern. Die, die sich normalerweise fortbilden lassen, müssen die Rolle der sich Fortbildenden einnehmen. Und die, die in der Regel andere fortbilden, müssen ihre Rolle so verstehen, dass sie nicht mehr Wissen vermitteln, sondern andere befähigen und unterstützen, wirksam, nachhaltig und selbstständig Wissen zu erwerben. Das zu erreichen, ist schwieriger, als es scheint. Die gute Nachricht ist, dass im Netz jede Menge Menschen zu finden sind, die einem bei beiden Herausforderungen helfen können. Nur zu.
Sehr geehrter Herr MihailoviĆ,
danke.
Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu!
Mir scheint das unmittelbar einleuchtend, gleichwohl stelle ich immer wieder fest, dass der Stand der digitalen Technik nicht im Kultus immer eingesetzt wird.
Ich wäre gerne Lehrer, aber diese Behinderungen hat man beispielsweise nicht im Unimillieu. Man ist dort weniger an Vorschriften zur Mittelverwendung gebunden.
Aber bitte bringen Sie nicht unbedingt Licht ins Dunkel der Finanzierung von Schulvorhaben (nicht dass nachher scharenweise Leute kreative Angebote an die Schulen schicken und sie damit zumüllen).
Man ist erschlagen von den kreativen Ideen und Fertigkeiten, die die Lehrer derzeit zeigen.
Bin froh, im Twitterlehrerzimmer dabei sein zu dürfen.
Es wird wohl so sein wie mit dem „Made in Germany“ früher:
was als faktische Brandmarkung begann („Sie sind nur Lehrer und kenn sich mit IT nicht aus“) könnte sich zum ersten Prüfsiegel für IT-Kenntnisse wandeln.
Ich möchte hier jedenfalls die Lehrer loben, die sich schwer bemühen, IT einzusetzen und beneide sie nicht darum, dabei den Durchblick annähernd behalten zu müssen.
Die Vielfalt auch guter Drittanbieterlösungen ist groß und es ist gut, dass und soweit findige Lehrer das (ggf. mal ein wenig an den Vorschriften vorbei) zu nutzen wissen!
Mit freundlichem Gruß
Alex Dipl.-Ing.
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Lieber Dejan Mihajlović,
Vielen Dank für den interessanten Beitrag!
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich veränderte Rollenerwartungen in der Lehrerfortbildung auch nachhaltig auf den Unterricht auswirken: Lehrkräfte, die sich als proaktive Lerner in Fortbildungen wahrnehmen (dürfen) und dieser Rolle einen besonderen Wert beimessen, werden diese Erwartungen vielleicht auch auf den eigenen Unterricht übertragen und ihren Schülern genau diese Rolle zugestehen.
Beste Grüße
Roman Prydaczenko
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